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Archiv-Artikel

Bitte keine Wunder mehr!

Frauen schauen EM (Finale): Tragödien, Tränen und ein mutwillig zerstörter Fernseher – eine bittere Bilanz

Diese Europameisterschaft konnte ja kein gutes Ende nehmen. Ich starrte auf meinen noch funktionstauglichen Bonsai-Fernseher, der neben der zersplitterten Mattscheibe von Andis Gerät flimmerte. König Otto, Rehakles, Europameister! Meine Bilanz: ein zerstörter Fernseher, eine Männerfeindschaft, eine Wunderphobie. Mir kamen die Tränen. Aber: eine Frau weint nicht. Ich schluckte. Und ließ die Tränen einfach über Ronaldos Gesicht laufen, das nach dem verpassten Europameistertitel der Portugiesen trauerte.

Meine Tragödie begann mit dem großartigen Halbfinale zwischen Holland und Portugal, als der schönste Fußball auf ein doch endlich mal spannendes, nicht Eins-zu-null-Finale hoffen ließ. Während Kommentator Reinhold Beckmann sein Bestes gab, um sich ebendahin zu gefühlsduseln. Ein fataler Moment. In einem durch und durch rationalen Fußball-Frauen-Zugang knallte ich einen von Andis echten Fußbällen in seinen Fernseher. Andi war traumatisiert. „Ich setze mich jetzt in den Flieger“, sagte er tonlos, „und schaue das Finale in Lissabon, im Stadion, ohne Frau. Und die Fernsehruine entsorgst du.“ Kommentatoren beschimpfen gehört nicht nur zum guten Ton jeder Männer-Fußball-Kumpelrunde. Das ist Ehrensache. Hahnenkampf am Spielfeldrand. Auf Kommentatoren schießen, wenn sie sich im eigenen Fernseher befinden, definitiv nicht. Auch wenn sie über alles reden, außer Fußball. Unsere Fußballfreundschaft war schwer angeschlagen. „Du sagst doch immer, wenn einer Umgehauen wird, macht es mehr Spaß“, nuschelte ich. Verzweiflungsverteidigung, mit portugiesischer Effizienz. Andi war weg.

Finale also tatsächlich ohne Profifreund. Zum Glück gab es Antonios Nikopolidis, den Torwart der Griechen. Wenigstens der blieb mir bis zum Finale treu.

Anpfiff. Kein Zauber, keine Spannung. Dafür: Angelos Charisteas. 57. Minute, Toooor! Das griechische Spiel braucht Geduld, sagte der Fernsehfachmann. Geduld geht gar nicht. Dann Angriff der Gegenseite: Tooor! Leider nur ein Irrer, der sich selbst ins griechische Tor bolzte. Schluss! Genau 50 Jahre nach Bern wiederholt sich ein Fußballwunder, sagten alle Fernsehfachmänner. Wunder – ich konnte mich gerade noch stoppen, bevor ich in meine Mattscheibe getreten hätte. Wundergedusel! Die Griechen, sie waren einfach besser. Ich kochte mir einen Tee und schickte Andi eine SMS: „Küss den Rasen für mich, in Lissabon.“

SUSANNE LANG