: Bislang klappt der Spagat
VON STEFAN ALBERTI
Wachstum hat seine Nebeneffekte. Wer plötzlich mehr hat, muss auch mehr beschützen, versorgen, bearbeiten. Das gilt für Euros, Kinder und Anbauflächen genauso wie für eine gewachsene Anhängerschaft in der Politik. Und ein ganzes Land lässt sich nicht mit reiner Kiezpolitik und wenigen Kernthemen regieren. Daran hat Fraktionschef Volker Ratzmann die Grünen bei ihrem Parteitag am Samstag erinnert – zu Recht. Offen bleibt: Emanzipiert sich die Partei von ihren Ursprüngen oder entfremdet sie sich?
So konnte sich angesichts der jüngsten Mediaspree-Proteste am Wochenende erneut die Frage stellen: Wieso hatten solche Pläne im grün regierten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg überhaupt eine Chance? Umso mehr, als hier auch noch der linke Parteiflügel das Sagen hat.
Alles ist im Fluss
Die Antwort: Die Zuordnung ist eben nicht mehr so schlicht. Nichts sei in Beton gegossen, befand Ratzmann und griff einen Gedanken auf, den Eric Schweitzer, der Chef der Industrie- und Handelskammer, den Grünen schon vor Monaten mitgegeben hatte: Alles sei im Fluss, der beste Rapper heute ein Weißer, der beste Golfer ein Schwarzer.
Bislang klappt der Spagat, bislang ist die Expansion der Grünen von Nachhaltigkeit geprägt. Umfragewerte von 20 Prozent und mehr sind kein kurzfristiges Phänomen wie noch im Sommer 2004, sondern ein seit fast einem Jahr anhaltender Zustand. Und die Art, wie beim Parteitag gerade die Kreuzberger Grünen beim Leitantrag zur Mietpolitik auf Konsens aus waren, lässt nicht erwarten, dass sich die Partei auf dem Weg zur Macht in Flügelkämpfe verheddert. Die Devise scheint zu sein: Erst mal gewinnen, über den – kleineren – Koalitionspartner können wir danach streiten.
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