Bischof über Homophobie in lutherischer Kirche: "Es ist ein letztes Aufbäumen"
Horst Gorski wäre fast der erste bekennende schwule, lutherische Bischof der Welt geworden. Jetzt würde er nicht noch einmal kandidieren. Denn er befürchtet die Spaltung des Weltbundes.
taz: Herr Gorski, nach den Urteilen von Altbischöfen über Homosexuelle dürften Sie gar kein Pfarrer in der evangelischen Kirche werden, geschweige denn als Propst eine leitende Funktion wahrnehmen, oder?
Horst Gorski: Jedenfalls müsste ich mich nach den Ansichten dieser Herren bereit erklären, auf mein eigenes homosexuelles Leben zu verzichten - und erst recht keine homosexuelle Beziehung eingehen.
Sie wären ja vor knapp drei Jahren fast der erste schwule lutherische Bischof der Welt geworden und haben sich stets zu Ihrer Homosexualität bekannt: Haben Sie denn einen Partner?
Nein, ich bin derzeit nicht in einer festen Beziehung.
Nun sollte man als protestantischer Christ ja möglichst seinen Ärger zügeln, aber kommt bei Ihnen dieses Gefühl nicht doch hoch angesichts der negativen Urteile über Homosexuelle im Brief der Altbischöfe an die Parlamente der Landeskirchen, das neue, liberale Pfarrerdienstrecht nicht zu ratifizieren?
Es ist mehr Unverständnis als Ärger, denn diese theologische Diskussion haben wir doch seit 20 Jahren intensiv geführt - da leugnen die Altbischöfe die allgemein anerkannten Fortschritte in der theologischen Erkenntnis, sie missverstehen die Bibel, die nichts über homosexuelle Partnerschaften sagt, was übrigens an den theologischen Fakultäten der deutschen Universitäten mittlerweile Allgemeingut ist.
HORST GORSKI geboren 1957 in Hamburg, ist seit 1999 Propst, das heißt Leiter eines Kirchenkreises, und zwar von Hamburg-West/Südholstein. Vor drei Jahren kandidierte er für das Bischofsamt in Schleswig.
An den Hochschulen der Evangelikalen in und außerhalb Deutschlands wird das aber anders gesehen.
Ja, aber die Briefeschreiber sind ja keine Evangelikalen, sondern waren Bischöfe von evangelischen Landeskirchen. Deren Haltung ist umso erstaunlicher, als die Bischofskonferenz der lutherischen Bischöfe Deutschlands schon vor sieben Jahren eine homosexuelle Partnerschaft von Pfarrerinnen und Pfarrern im Pfarrhaus für möglich erklärt hat, wenn es in der jeweiligen Gemeinde darüber einen Konsens gibt - und diese Bischofskonferenz gilt ja nicht gerade als die Speerspitze der Revolution in unserer Kirche.
Werden einige Landessynoden dennoch die neuen Chancen für gleichgeschlechtliche Paare im Pfarrhaus nicht umsetzen?
Es war immer klar, dass manche Landeskirchen diese liberale Dienstrechtfassung wohl nicht übernehmen werden, deshalb ist sie ja auch so vorsichtig formuliert worden.
Ist nicht auch dieser Brief ein Zeichen für ein Rollback in Ihrer Kirche, einen stärker werdenden konservativen Strom?
Nein, es ist eher in der Kirche ein letztes Aufbäumen einer kleinen Minderheit, die merkt, dass sie nicht mehr die Mehrheit hat.
Sollten trotzdem die Schwulen und Lesben in der Kirche nun mehr in die Offensive gehen?
Ich habe ja in Hannover an den Diskussionen über das neue Dienstrecht bei der bundesweiten Synode im November teilgenommen: Mein Eindruck ist, dass es einen Mainstream gegen die veralteten Ansichten der Altbischöfe gibt.
Könnte es in der evangelischen Kirche am Ende wegen der Frage der Homosexualität zu einer Spaltung kommen wie bei der Anglikanischen Kirche?
Wir haben in letzter Zeit gesehen, wie wichtig diese Frage gerade den lutherischen Kirchen in Afrika ist. Wenn es einen homosexuellen Bischof in Deutschland gäbe, könnte es zu einer Spaltung des lutherischen Weltbundes kommen. Wir müssen da vorsichtig vorgehen. Vielleicht ist die Zeit einfach noch nicht reif. Aber irgendwann sollte es schon einen homosexuellen lutherischen Bischof, eine Bischöfin geben. Wir dürfen aber nicht mit dem Kopf durch die Wand wollen, wenn der Preis die Spaltung des Weltbundes wäre.
Also würden Sie selbst nicht mehr wie vor drei Jahren als Bischof kandidieren, um eine Spaltung zu verhindern?
So gesehen war es vielleicht gut, dass ich damals in Schleswig nicht gewählt worden bin - und vieles ist mir auch erst durch die Reaktionen auf meine Kandidatur deutlich geworden. Daraus kann man lernen. Derzeit würde ich nicht kandidieren.
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