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Bionade, die Diskurs-BrauseMit Bedeutung versetzte Limonade

Es ist verdammt schwer, in Bionade einfach nur das zu sehen, was sie ist: ein gesundes Erfrischungsgetränk. Stattdessen pilgert nun sogar Frank-Walter Steinmeier zur Biolimofabrik in der Rhön.

Frank-Walter Steinmeiers neue Autogrammkarte: eine Bionade-Flasche mit blau-weiß-rotem „mod target“-Kronkorken Bild: reuters

Psychologen kennen den „Doublebind“-Effekt: Eine Person strahlt widersprüchliche Botschaften aus. Der Empfänger weiß nicht, welcher der Botschaften er glauben soll – und ist verwirrt. Frauen treiben mit „Doublebind“ das andere Geschlecht in den Wahnsinn: Knallrot geschminkte Lippen beispielsweise, getragen von selbstbewussten Frauen, lösen bei Männern Lust aus – und zugleich Angst, abgewiesen zu werden. Der Mann ist verstört. Ein bisschen so ist es auch mit Bionade: Die ist gesund und schmeckt gut, deshalb will man sie haben. Aber gleichzeitig hat man keine Lust, das ganze Drumherum, den ganzen Bionade-Biedermeier-Quatsch, mitzukaufen.

Dabei hatte alles einmal so einfach angefangen. Der Brauereimeister einer maroden Brauerei träumt von „Fanta ohne Chemie“, forscht acht Jahre lang – und entdeckt eine Methode, aus Wasser und Malz Limonade zu brauen. Über Umwege geraten die Flaschen in Werber- und Journalistenhände. Der „Hard to get“-Faktor steigert die Begehrlichkeit, Bionade wird zum Untergrundstar.

In fünf Jahren verhundertfachen sich die Verkaufszahlen, die Brauerei ist mehr als gerettet. Dabei hatten sie eigentlich gar kein Szenegetränk schaffen wollen, sagt Geschäftsführer Peter Kowalsky. Sondern einfach eine gesunde Limo für alle. Und die wird zum Symbol des neuen, reinen, grünen Gewissens; Biobauern aus der Region bauen Bioholunder an, man bezieht Ökostrom, unterstützt das Biosphärenreservat Rhön und 24 andere Projekte.

Bild: taz

Dieser Artikel wurde der aktuellen sonntaz vom 15./16.8.09 entnommen - ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk erhältlich.

"Gut in Bio. Schlecht in Chemie"

Idee: Der Braumeister Dieter Leipold von der Brauerei Peter im fränkischen Ostheim vor der Rhön, im Bermudadreieck zwischen Bayern, Hessen und Thüringen, erfand 1995 das "biologische Erfrischungsgetränk".

Umsetzung: Es entsteht durch Fermentation von Malz; der Malzzucker wird nicht - wie beim Bier - in Alkohol, sondern in Glukonsäure umgewandelt. Die Naturbrause ist eine völlig neue Getränkegattung.

Vermarktung: Die Kronkorken ziert das blau-weiß-rote Mod Target, berühmt durch die Band The Who.

Macher: Die Brüder Peter und Stephan Kowalsky, deren Mutter Sigrid Peter-Leipold (Inhaberin der Brauerei Peter) und ihr Mann Dieter Leipold (Bionade-Erfinder)

Doch die Stimmung kippt, spätestens nachdem das Zeitmagazin den Lebensstil des gentrifizierten Berliner Stadtteils Prenzlauer Berg im Herbst 2007 als „Bionade-Biedermeier“ bezeichnet. Im Social Network Facebook ist das Symbol für den Prenzlauer Berg im Test „Welcher Berliner Bezirk bist du?“ eine Bionade-Flasche. Seitdem würde man Bionade gern flüsternd bestellen, die Flasche in eine braune Papiertüte hüllen.

Dafür kann die Brause natürlich nichts. Auslöser der Häme sind anbiedernde Werbestrategien („Das offizielle Getränk einer besseren Welt“ – „Jede Revolution beginnt mit einem leichten Prickeln“) und eine radikale Preispolitik. Im Juli vergangenen Jahres hatte Bionade als Reaktion auf Nachahmerbrausen den Preis der 0,33-Liter-Flasche um 20 Cent auf 79 Cent angehoben. „Wir sind der Meinung, dass Bionade das wert sein muss“, hatte Kowalsky damals gesagt.

Mit der Preiserhöhung wolle man sich von Nachahmern abheben. Doch der Plan geht nicht auf: Der Absatz von Bionade soll sich nahezu halbiert haben, sagen Marktkenner. In Umfragen beschreiben Stammkäufer den Aufschlag als unverhältnismäßig und raffgierig.

„Bionade hat die Akzeptanz der Verbraucher verloren“, sagt Günter Birnbaum vom Nürnberger Marktforschungsinstitut GfK. In der vergangenen Woche berichtete schließlich die Wirtschaftswoche von Gerüchten über eine Millionenbeteiligung der ehemaligen Eigentümer des Arzneimittelherstellers Hexal. Ende Juli meldete die Lebensmittelzeitung, 51 Prozent der Bionadeanteile stünden zum Verkauf. Interessenten seien möglicherweise die Krombacher Brauerei, Pepsi und der Coca-Cola-Konzern. Dessen früheres Übernahmeangebot hatte die Familie abgelehnt. Der Geschäftsführer dementiert die Gerüchte: Sich von Bionade zu trennen, „käme einem Verkauf der Seele des Unternehmens gleich“.

Dabei sind die Anteile, um die es geht, gar nicht im Besitz der Familie. Sie gehören dem Getränkehersteller RhönSprudel, der ebenfalls dementiert. Würde RhönSprudel verkaufen, wäre die junge Wirtschaftskoalition zwischen hessischer und bayerischer Rhön Geschichte. Der Verkauf an Coca-Cola gliche einem Verrat – wie Bowies „Heroes“ im Werbespot eines Telekommunikationsriesen.

Doch nun, nachdem der Zug der Diskursbrause abgefahren ist, beginnt das Bionadepilgern der Politiker. Vor der Europawahl besuchte die Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) den Standort. Die Brause sei ein „Glücksfall für die Region“, sagt Kastner, ein Beweis, dass auch im ländlichen Bereich weltweit erfolgreich operierende Unternehmen entstehen könnten. Erfolgreich für sie war das nicht: 9,74 Prozent erreichte die SPD bei der Europawahl in Rhön-Grabfeld.

Anfang August kam SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier – um die Limo für seinen Deutschlandplan zu instrumentalisieren. Irgendwie muss das ja klappen mit den vier Millionen neuen Arbeitsplätzen bis 2020. In Bionade sieht Steinmeier ein Vorbild, ein Unternehmen, das beharrlich an seinem Ziel festhält: „Innovative Unternehmen, wie wir sie in Deutschland brauchen.“ Vielleicht hat er die Wirtschaftsmeldungen nicht so genau verfolgt, die Bionade wurde im Diskurs längst verschoben – an ihm vorbei. „Holunder, meine rote Bionade“, schwärmt Steinmeier, „ist Kult, der globale Erfolg einer regionalen Idee.“

Von der Bionadisierung der Welt zur Politisierung der Brause. Dabei verbirgt sich hinter dem Wahnsinn schlicht: Durst, plopp, lecker.

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16 Kommentare

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  • D
    Deftone

    So einer langer Artikel mit so wenig Inhalt, den man besser mit Tierschutzpolitik hätte füllen sollen. Schließlich wird die mehr als Stiefmütterlich behandelt, während Umweltthemen explodieren. Echt ärgerlich!

  • ML
    Mynah Lortzing

    Bionade ist doch vor allem eine Alternative zu Alkohol. Alkfreies Bier ist heutzutage auch besser geworden. Das Brauen / Fermentieren ist doch eine geniale Tehnik, um wohlschmeckende Getränke zu fabrizieren.

     

    Mir persönlich ist Bionade auch immer noch zu süß. Ich mag gerade das Bittere am Alk. Aber wenn Alkopops gehen, warum soll Bionade nicht gehen? Damit rechtfertigen sich auch die kiddie-unfreundlichen Preise: Es soll ja ein Getränk sein, das sich für die Wirte lohnt, Partymäßig geht, die rituellen Aufgaben des Alkohols erfüllen kann. Ich sage jetzt nicht, Traubensaft statt Messwein.

     

    Es kann ja sein, dass der Begriff Bio an den jugendlichen Konsumenten total vorbeigeht. So what? Solange süßes Zeug wie Alkopops genommen wird, warum muss da überhaupt Alkohol drin sein?

    Heute lese ich, Kinder geben 50% ihres Taschengeldes für Süßigkeiten aus. Die Zahl kommt nur zustande, weil die weiteren 30% für Eis! extra gerechnet werden. Können die Eltern nicht den Kindern ihre piefigen Süßigkeiten so geben, und sie lehren, wozu man wirklich Geld braucht?

     

    I support Bionade, kann auch noch teurer sein, und wenn ihr eine "trockene" Variante hinkriegt, weiß ich endlich, was ich im Lokal außer Wein bestellen kann.

     

    Also jede abgefahrene marxistische Warenanalyse versteht mehr vom Menschen und vom Kapital als in dieser Debatte jemand auch nur ahnt. Steinmeier will ein Sozialist sein?

     

    Ich habe keine Software, die mich dran hindert, nach Mitternacht Tiraden abzulassen, also bitte.

    Wahrscheinlich ist diese Debatte auch schon wieder Zeitung von gestern, aber dann habe ich wenigstens das letzte Wort.

  • J
    joho

    Wieso gesund? Dazu gibt es wohl unterschiedliche Meinungen:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Bionade#Bewertung

  • D
    DeRi

    Zitat:

    "Die Bionade aus der Rhön scheint trotz eines Steinmeier-Besuchs immer mehr in Verruf zu geraten.".

    Auch wenn der Duden mittlerweile hinter "trotz" auch den Genitiv zulässt (und bald auch jeden anderen Fall?), sollten Journalisten ausreichend Sprachgefühl bewahren, um trotzdessen beim Dativ bleiben.

    Ebenso fragwürdig ist die Semantik des Satzes: Wieso sollte ein "Steinmeier-Besuch" die sinkende Reputation des Herstellers aufhalten? Kontakte mit diesem Kanzlerkandidaten der SPD in Wahlkampzeiten dürften kaum geeignet sein, den Ruf des Hauses zu bessern.

  • M
    Mueller

    Bionade soll gut sein? Nur weil Bio drauf steht oder man ein paar Vitamine reinpackt? Demnächst gilt noch Bioschokolade als gesund, weil Biokakao drin ist. Zucker bleibt Zucker, PET bleibt PET. Ergo ist Bionade weder gesund noch richtig bio.

  • MB
    manfred bsirske

    @Jens Schleglj:

    Wie soll in Bionade mehr Zucker drin sein, als in Cola?

    Wenn man einmal einschlägige Seiten für Inhaltsstoffe durchforstet, dann sieht man bspw. folgendes:

     

    Bionade 22kcal/100ml

    Coca Cola: 44 kcal/100ml

    Pepsi Cola: 40kcal/100ml

     

    Normale Säfte haben auch gerne einmal mehr Zucker, als die zuckerigste Cola.

    Da finde ich den Zuckergehalt in Bionade nicht übertrieben.

  • V
    vic

    ...was at so schön geprickelt in die Bauchnabél...

    Auweh, F.W.

  • S
    Sommerloch!

    Da habt Ihr ja mal wieder ein ganz dolle wichtiges Problem unserer heutigen Zeit aufgegriffen. Na ja, wenn man sonst keine Probleme hat.

     

    Freundliche Güße vom Sommerloch

     

     

    PS: Wenn's die taz nicht schon gäbe, dann müsste man sie erfinden. Ehrlich!

  • M
    Maggie

    Seit wann ist Limo mit viel Zucker gesund? nur weil Bio drauf steht???

    außerdem ist Bionade sehr wohl mit Coca Cola im Munde - u.a. Abfüllung und Vertrieb...

     

    Leute trinkt Mineralwasser!

  • Z
    zeitungsjunge

    Durst, plop, lecker, Zähneputzen. Uran-, sulfat- und nitratfreies Wasser hätt's auch getan. Obwohl das Spamvermeidungstool zu "Tee" auffordern scheint.

  • L
    Lope

    Zu einer echten Doppelbindung gehört, dass man der unklaren Situation nicht entfliehen kann.

    Glücklicherweise wird niemand dazu gezwungen die Biobrause zu süffeln.

    Es kann uns auch niemand dazu zwingen Steinmeiers Wahlkampf ernst zu nehmen, besonders dann nicht, wenn er sich an den Slogan der Brause hängt. Lieber Frank-Walter, nicht jede Revolution beginnt mit einem leichten Prickeln.

  • T
    tazitus

    Bionade und i-phone sind Lifestyle für Ökopopper. Darüber zu berichten, ist doch keine (Schleich) -werbung. Das ist Berichterstattung über die Lebenswirklichkeit der neuen Menschen. Und sagense nich, es gäbe außer i-phone auch noch andere smartphones (oder wie diese Dinger genannt werden).

  • L
    Lars

    Soso, der Verkauf an Coca-Cola gliche also einem verrat. Sich über eine Coca-Cola Tochter, nämlich CCE, als Handelsware vertreiben zu lassen geht aber dann doch in Ordnung? Getränk für eine bessere Welt, daß ich nicht lache.

  • HM
    Hugo Meier

    Bloß, weil Zucker bio hergestellt wird, ist sein Genuß in großen Mengen noch immer nicht gesund. Bionade ist Zuckerwasser wie jede andere Limonade auch. Auch 100%-Fruchtsäfte sind nicht "gesünder", wenn man viel davon trinkt und damit Zucker in sich reinstopft.

     

    Kann mir mal bitte jemand erklären, warum "bio" – ich bin im übrigen sehr dafür – das Hirn auszuschalten scheint? Im Artikel steht dreimal "gesund", dann wird von der ach so tollen Gluconsäure erzählt, auf dem Etikett der Flaschen steht trotzdem: "Inhaltsstoffe: Wasser, Zucker…"

  • C
    cycodead

    preis, politik, verrat. damit konnte ich leben. aber bionade in einweg flaschen... seitdem ich das gesehen hab ist schluss.

  • JS
    Jens Schlegelj

    Zweimal finde ich den Hinweis, Bionade sei gesund. Wie das zustande kommt wird nicht erklärt. Wer Ükotest liest müsste zumindest wissen, dass Bionade mehr Zucker enthält als Cola eines Markenherstellers. Damit das Zeug nicht so verdammt süß schmeckt ist natürlich ein Säuerungsmittel drin. Dass kann schon mal die Zähne zersetzen.

     

    Ich trinke Bionade gerne. Ich habe keine Angst vor Zucker oder dem Säuerrungsmittel. Aber solche einfach zu recherchierenden Fakten unterscheiden eine Behauptung "Ist Gesund" von der Wahrheit "Hat bedenkliche Inhalststoffe".

     

    Einen weiteren Unterschied stellt die kritische Betrachtungsweise hinsichtlich "Werbung" und "Journalismus" dar. Aber der Unterschied wird in verschiedenen Artikel der Taz immer weniger deutlich. (Bsp. I-Phone, X-Box...)