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Archiv-Artikel

Biologisierung seelischer Probleme

betr.: „Auf Kosten der Patienten“, taz vom 30. 1. 04

Mit großen Interesse habe ich Ihren Artikel gelesen, in dem Sie am Beispiel der „Familien-Selbsthilfe Psychiatrie (BApK)“ aufzeigten, wie gekaufte Selbsthilfegruppen den Absatz der Pharmaindustrie steigern. Hinter dem sehr irreführenden Namen verbirgt sich keine Patientenorganisation, sondern der „Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker (BApK)“. Dessen enge Kooperationsverträge mit und finanzielle Unterstützung durch Pharmafirmen lassen seine Unabhängigkeit als Selbsthilfeverein schon lange fragwürdig erscheinen. Ein Hintergrund des BApK dabei ist, dass sich Angehörige durch eine Biologisierung der Ursachen seelischer Probleme und daraus folgende Psychopharmakotherapie von der Arbeit an oft krank machenden Familienstrukturen entlastet sehen.

Dagegen verzichtet die einzig anerkannte und legitimierte Psychiatrie-Selbsthilfeorganisation in Deutschland, der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e. V., grundsätzlich auf jegliches Pharmasponsoring, um seine Unabhängigkeit zu wahren. Der BPE kritisiert die fortschreitende Biologisierung seelischen Leids durch die Pharmaindustrie, die von ihr abhängige psychiatrische Forschung, Lehre und Praxis, die viele Psychiatriepatienten in die Chronifizierung und Invalidität führt. Er fordert dagegen die Förderung der bekannten sinnvollen und nachhaltigen Alternativen zur biologischen Psychiatrie, alternativer ambulanter und stationärer Krisenangebote sowie den Ausbau von Selbsthilfeprojekten. PETER WEINMANN, Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Saar e. V.

Der Artikel enthält einige Fehlinformationen, die wir gerne geraderücken möchten:

Die Wurzeln der Familien-Selbsthilfe Psychiatrie gehen zurück auf die Basisbewegungen der 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Wir wollten und wollen nicht zulassen, dass Entscheidungen ohne Berücksichtigung der Bedürfnisse und Erfahrungen der Betroffenen gefällt werden. Darum engagieren sich Angehörige auf allen politischen Ebenen, und zwar unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit nach allen Seiten.

Die Familien-Selbsthilfe Psychiatrie lebt von der Ehrenamtlichkeit. Ganz ohne Geld geht es aber auch bei uns nicht. Woher der Bundesverband seine Mittel hat, kann jeder im Internet nachlesen (www.bapk.de). Der Anteil des Pharma-Sponsoring beträgt 20 Prozent, mit sinkender Tendenz für das Jahr 2004.

Die erwähnte Pressekonferenz wurde von einer Pharmafirma unterstützt. Die dort vorgestellten Projekte realisiert der Bundesverband aber mit ausschließlicher Unterstützung der Krankenkassen, nämlich der BKK und dem VdAK – gewiss keine der Pharmaindustrie verbundenen Organisationen.

Uns vor diesem Hintergrund als Musterbeispiel für die Korrumpierung durch Pharmafirmen hinzustellen, ist unsinnig und unfair.

JUTTA SEIFERT, Stellv. Bundesvorsitzende BApK e. V., Berlin