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Biografie vom ParteifreundWie viel Lob der Mensch vertragen kann

Drei Jahre hat der CDU-Abgeordnete Wolfang Börnsen an einer Lebensbeschreibung von Peter Harry Carstensen gearbeitet. Er liefert darin wenig Neues über den Kieler Landesvater.

Bei aller Nähe fern geblieben: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (r.) begrüßt seinen Biografen Wolfgang Börnsen (beide CDU). Bild: dpa

HUSUM taz | Es war ein diesiger Tag an der Nordstrander Bucht, als Prinz Philipp von England den heutigen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen, zur Politik brachte. Der Brite, damals Präsident des WWF, stand auf dem Deich und erklärte den Insulanern, das Watt dürfe nicht durch einen Deich zerstört werden. Carstensen begriff zweierlei: Erstens, dass Engländer offenbar bei Nebel besser gucken können, "denn wir Übrigen sahen gar nichts". Und zweitens, dass er, Carstensen, das Reden und Entscheiden über seine eigenen Belange nicht anderen überlassen wollte.

Diese hübsche Geschichte - sie steht nicht in dem Buch, das Wolfgang Börnsen, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Flensburg, über seinen Parteifreund geschrieben hat. Carstensen selbst war es, der die Anekdote erzählte bei der Präsentation des Buches, abgehalten dieser Tage mit Butterkuchen, Reden und Gratulationen alter Weggenossen im Schloss vor Husum. Der Ministerpräsident, der sich diese Woche aus gesundheitlichen Gründen frei genommen hatte und die Gelegenheit nutzte, sich umso fitter zu präsentieren, genoss den Auftrieb sichtlich: "Man denkt gar nicht", sagte er, "wie viel Lob der Mensch vertragen kann."

Dabei verrät Börnsens Buch kaum Neues, schon gar nicht über den Menschen Peter Harry: Sein Familienleben, der Tod seiner ersten Frau und seine neue Heirat finden nur als Stichworte statt. "Das Privatleben muss auch bei einem Politiker respektiert werden", sagte Börnsen nun in Husum. Zurückgehalten hat er sich allerdings auch bei der Schilderung des Politikers Carstensen.

Dabei saßen die beiden jahrelang zusammen im Bundestag, dem Börnsen seit 1987 und Carstensen von 1983 bis zu seinem Wechsel in die Landespolitik 2005 angehörte. Carstensen war erklärtermaßen gern im Bundestag, denn "etwas Freieres als einen Abgeordneten kann es nicht geben". Wie und warum entschied er sich dann aber für den Stressjob in der Landespolitik? Börnsens Buch verrät es nicht.

Auch Carstensens verstolperte Anfänge in Kiel streift der Biograf nur, obwohl sie heute fast nostalgisch verklärt erscheinen: Angesichts der Tatsache, dass die CDU Schleswig-Holstein soeben einen Spitzenkandidaten durchgebracht hat, weil der mit einer 16-Jährigen zu schlafen beliebte, wirkt es heute geradezu niedlich, dass Carstensen einst als Kandidat in die Schlagzeilen geriet, weil er per Bild eine Frau suchte.

Börnsen vertut die Chance, solche Geschichten mit Leben, vielleicht mit eigenen Erinnerungen zu füllen. Den sozusagen intimsten Blick auf Carstensen werfen im Wortlaut zitierte Zeitungsartikel, die lustigsten Passagen entstammen, ausgerechnet, Plenarprotokollen. Die prickelnden Tage der Landespolitik, der "Heide-Mord", der Machtkampf zwischen Carstensen und SPD-Chef Ralf Stegner, die fingierte Vertrauensfrage: Sie alle sind überwiegend als Zeitungsmeldungen zitiert. Und es fehlt eine klare Bilanz: Was hat Carstensen geleistet, wo ist er gescheitert?

Das Buch, an dem Börnsen drei Jahre gearbeitet hat, endet mit einem Lob Carstensens auf seinen Wunsch-Nachfolger Christian von Boetticher: "Er wird das packen. Seine Arbeit ist exzellent." Das alles ist bekanntlich inzwischen überholt.

Sollte der Wachholtz-Verlag eine zweite Auflage erwägen, könnte am Ende ein Bekenntnis zum neuen Wunsch-Nachfolger, Wirtschaftsminister Jost de Jager, stehen. Am besten liefert der Verlag den Ministerpräsidenten zum Buch gleich mit, der Anekdoten wegen.

Die Sache mit dem Deich an der Nordstrander Bucht endete übrigens mit einem Kompromiss: Er wurde 1987 als Schutz vor Sturmfluten gebaut und grenzt nun den Beltringharder Koog ab. Allerdings betont der WWF, dank seiner Proteste sei deutlich weniger Fläche eingedeicht worden als anfangs geplant.

Wolfgang Börnsen: Peter Harry Carstensen. Ein Schleswig-Holsteiner und die Rückkehr der bürgernahen Politik. Wachholtz Verlag Neumünster 2011, 256 S., 16, 80 Euro

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