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BioboomMöhren aus Israel

In Berlin eröffnet Europas größter Öko-Supermarkt - Mit regionalen Produkten will Geschäftsführer Werner Schauerte das Vertrauen der Kunden gewinnen.

Bio-Supermarkt in Köln Bild: dpa

INTERVIEW SVEN KULKA

taz: Herr Schauerte, 40 Mitarbeiter werden ab Samstag im Laden in der Kollwitzstraße 15 arbeiten. Nach welchen Kriterien haben Sie sie ausgesucht?

Werner Schauerte: Sie kommen fast ausschließlich aus dem Biofachhandel. Sie wissen also, was ein frisches Stück Biofleisch ausmacht oder welche Biocreme sich für welchen Hauttyp eignet. Außerdem wissen sie, wie man Kunden berät und Bioprodukte verkauft. Das ist wichtig, denn sonst vertrauen uns die Kunden nicht mehr. Gerade im Biobereich ist das sehr wichtig.

Kann man bei der Größe denn noch von Vertrauen in die Produkte und in die Mitarbeiter sprechen?

Ja, denn wir verkaufen nicht irgendwelche Güter, sondern Ware mit Siegel der acht Bioanbauverbände. Damit unterscheiden wir uns von den konventionellen Supermärkten, die jetzt auch vermehrt auf Bio setzen. Diese bieten nämlich meist Produkte an, die lediglich mit dem EG-Siegel ausgezeichnet sind, dessen Richtlinien allerdings nicht sehr streng sind. Außerdem kennen unsere Mitarbeiter die Produzenten und Lieferanten der Ware und können so eine optimale Beratung anbieten.

Wie soll das funktionieren, bei 18.000 Produkten?

Bei den Mitarbeitern aus dem Biofachhandel ist das kein Problem, die sind spezialisiert und die anderen lernen schnell dazu. Als wir im Herbst einen "Spar"-Laden am Kaiserdamm übernommen haben, haben wir gleich alle Mitarbeiter behalten. Das kam bei den neuen Kollegen gut an, weil sie ihren Job behielten. Aber auch bei den Kunden, denn die sahen die Verkäufer wieder, die sie schon seit vielen Jahren kennen.

1994 eröffneten Sie in Berlin Ihren ersten Laden. Was ist heute anders, wenn Sie die kleinen Geschäfte mit Europas größtem Biosupermarkt vergleichen?

Vor allem die Personalführung. Früher haben wir nach dem Rotationsprinzip gearbeitet. Jeder Mitarbeiter war so gut wie in allen Abteilungen einsetzbar: Kasse, Käse, Wein, Obst und Gemüse. Das geht in so einem großen Laden nicht mehr. Es gibt zu viele Produkte. Die kann keiner alle kennen. Außerdem sollen die Kollegen eine Kompetenz auf einem bestimmten Gebiet beziehungsweise in einer Abteilung erlangen.

Was ist noch anders?

Die Logistik. Wir haben beispielsweise kein Lager in der Kollwitzstraße. Somit müssen wir in drei Schichten arbeiten. Das hat einen großen Vorteil: Die Ware ist immer frisch.

Sie bieten in Ihrem Supermarkt zwei Kinderspielecken an. Was haben die in einem Biosupermarkt zu suchen, in dem es doch in erster Linie darum gehen sollte, ökologisch angebaute Produkte zu verkaufen?

Eltern sollen bei uns stressfrei und ganz in Ruhe einkaufen können, während die Kinder in den Spielecken ihren Spaß haben. Wir wollen unsere Kunden nicht einfach nur durch den Laden schleusen, wie es andere Supermärkte machen. Hauptsache, schnell zur Kasse - das ist nicht unsere Geschäftsphilosophie.

Wie garantieren Sie, dass bei dem riesigen Angebot noch die regionalen Produzenten unterstützt werden?

Die LPG GmbH hat die Charta "air & regional, Bio Berlin-Brandenburg" unterzeichnet und ist damit eine Art Selbstverpflichtung eingegangen. Wenn es also ein Bioprodukt aus Berlin-Brandenburg gibt, dann nehmen wir das. Damit wollen wir auch die Landwirte in der Region stärken und an uns binden. Wir sichern ihnen zu, dass wir die Produkte abnehmen, und die Landwirte können investieren. Im Umkehrschluss heißt das, dass wir beispielsweise neue, veredelte Produkte von ihnen bekommen.

Und was machen Sie, wenn es im Winter in Brandenburg keine frischen Möhren mehr gibt?

Dann müssen wir natürlich auf Möhren aus Spanien zurückgreifen. Und wenn es im Dezember dort auch keine mehr gibt, auf Möhren aus Israel. Zwar verliert die Ware bei jedem Transport an Qualität, aber ganz ohne Möhren funktioniert es ja auch nicht.

Haben Sie kein schlechtes Gewissen gegenüber den kleinen Bioläden?

Nein, wir haben ja selbst einen Laden mit nur 55 Quadratmetern in der Pannierstraße in Neukölln. Unser erster LPG-Laden übrigens, in dem immer noch die ersten Mitarbeiterinnen arbeiten.

LPG-Kunden erhalten im Rahmen einer Einkaufsgemeinschaft die Bioprodukte zu einem günstigeren Preis. Woher kommt diese Idee?

Ich kannte sie aus anderen Städten in Deutschland und war so fasziniert, dass ich sie damals in unserem ersten Laden in der Pannierstraße umsetzte. Das war einmalig in Berlin.

Werden Sie bald einen weiteren Biosupermarkt eröffnen?

Kunden gibt es genug, die hochwertige Biokartoffeln, Biolinsen oder Biofleisch kaufen wollen. Doch jetzt freuen wir uns erst einmal auf diesen Laden.

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