Bio vs. Regio: Einkaufen soll doch nicht exotisch sein
Forscher und Händler verteidigen Ökowaren vom Kleinbauern nebenan. Der Kunde hat globale Massenproduktion satt.
BERLIN taz Apfel, Steak oder Wein aus der Region sind nicht besser für die Umwelt als Lebensmittel, die aus der Ferne hierher transportiert werden. Diese These des Gießener Professors Elmar Schlich (siehe taz von Dienstag) hat für Empörung bei anderen Wissenschaftlern, hiesigen Bioerzeugern und Händlern gesorgt. Wie exotisch darf der korrekte Einkauf sein?
Fest steht: Noch nie haben die Deutschen so viele Biowaren gekauft wie heute. Der Markt wuchs allein im vergangenen Jahr um gut 15 Pozent. Händler importieren immer öfter aus der ganzen Welt Ökowaren - Kartoffeln kommen aus Ägypten, Orangen aus Brasilien und Lammfleisch aus Neuseeland. Und alle Experten sind sich einig: Die gängige Meinung, der Transport sei der Klimakiller Nummer eins, ist überholt. Diese Rechnung gilt nur, wenn die Ware per Flugzeug kommt. Zumeist wird sie aber per Laster und Schiff nach Deutschland importiert.
"Spanische Tomaten sind im Winter ökologischer als Tomaten aus dem hiesigen Gewächshaus", sagt zum Beispiel Alexander Gerber, Geschäftsführer vom Bund ökologischer Lebensmittelwirtschaft. Und: "Heimische Bioerzeuger, deren Logistik unprofessionell ist, können auch Energie verschwenden", meint Martin Demmeler. Er forscht an der TU München zur Wirtschaftslehre des Landbaus.
Trotzdem wehren sich Gerber und Demmeler gegen die weltweit gehandelte Ware aus Großbetrieben. Denn sie meinen: "Energie ist nicht alles" - und geben regionalen Produkten nach wie vor den Vorzug. Ihre Gründe: Ökobauern schaffen lokale Wirtschaftsstrukturen. Sie ziehen alte Nutztierrassen oder Obstsorten. Demmeler: "Kurzum, sie erhalten die hiesige Kulturlandschaft." Zudem schaffe Regionalität Vertrauen. Viele Kunden hätten global produzierte Massenprodukte satt.
Der Münchener Forscher macht gar einen neuen Trend aus: "Nach Bio entdecken Händler jetzt Regionalität." In der Schweiz und Österreich werben große Supermarktketten wie Migros, Billa oder Coop seit Jahren für regionale Bio-Spezialitäten. Auch in Deutschland gibt es erste Angebote: Die Allgäuer Supermarktkette Feneberg bietet in seinen 80 Filialen Bioware aus der Umgebung an. Etikett: "Von hier". Das hessische Unternehmen Tegut preist in seinen Märkten Biowurst und -fleisch aus der Rhön an, genau wie andere Ökowaren aus der Umgebung auch.
Und Plus hat erst letzte Woche Milch, Quark und Sahne aus der Region ins Sortiment aufgenommen. "ALPA - Genuss aus der Heimat" heißt die neue Marke. Ökolebensmittel sind das allerdings nicht. Sprecherin Melanie Prüsch macht aber klar: "Unsere Biolebensmittel beziehen wir möglichst auch aus Deutschland." Der Discounter reagiere damit auf "ein Bedürfnis der Kunden".
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss