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Archiv-Artikel

Bio lehrt die Försterin

Der Mangel an Lehrern eröffnet Quereinsteigern ein neues Berufsfeld. Die Politik will den Seiteneinstieg zwar nur als „Notprogramm“, doch Lehrerverbände rechnen mit steigendem Bedarf

An Deutschlands Schulen unterrichten immer mehr Lehrer, die eigentlich einen anderen Berufswunsch hatten. Denn der derzeitige Lehrermangel öffnet den Beruf für Quereinsteiger wie etwa Diplom-Physiker, Elektrotechniker oder Forstwissenschaftler. Zwar ist ihre Zahl noch immer vergleichsweise gering – doch Lehrerverbände rechnen mit einem weiteren Anstieg in den kommenden Jahren. Allerdings soll der Seiteneinstieg in den Lehrerberuf trotz guter Erfahrungen eine Ausnahme bleiben.

Von „Notprogrammen“ spricht Harry Liedtke vom nordrhein-westfälischen Schulministerium. Die Zahlen geben dem Referatsleiter für den Bereich Seiteneinstieg Recht: Rund 5.000 neue Lehrer haben in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland im gerade begonnenen neuen Schuljahr die Arbeit aufgenommen – darunter etwa hundert Seiteneinsteiger. Etwa zwei Drittel von ihnen beginnen an Berufsschulen. Dazu kommt in Nordrhein-Westfalen eine nicht genau erfasste Zahl von Lehrern, die sich etwa als Diplom-Mathematiker ein Fachstudium anerkennen lassen und dann gemeinsam mit Lehramtsstudenten das zweijährige Referendariat aufnehmen.

Ihre neue Berufschance verdanken sie dem Mangel an Lehrern, der sie „Lehrerschwemme“ früherer Jahre ersetzt hat. Zu den klassischen Mangelfächern gehören etwa Mathe und Naturwissenschaften. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, macht die Politik für die jetzige Situation verantwortlich: Der Bedarf an neuen Kräften sei aufgrund der bekannten Altersstruktur der aktiven Lehrer und der Schülerzahl berechenbar. Den Kultusministern der Länder wirft er deshalb vor, die Entwicklung verschlafen zu haben. Und die Schere zwischen der Zahl der Pensionierungen und dem Nachwuchs werde größer, warnt Kraus. Deshalb sind die Schulen zum Teil auf Kräfte von außen angewiesen. „Wir werden ohne seriöse Quereinsteiger-Programme nicht über die Runden kommen“, sagt Kraus.

Umso wichtiger ist es für den Präsidenten des Lehrerverbands, dass die Qualität darunter nicht leidet. Es dürfe nicht zu einer Entprofessionalisierung des Berufs und auch nicht zum Dumping bei Anspruch und Bezahlung kommen, warnt Kraus. Ähnlich äußert sich die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marianne Demmer: Die Professionalität müsse in vollem Umfang erhalten bleiben. Wenn aber zwischen Angebot und Nachfrage eine Lücke entstehe, „nützt die reine Lehre nicht so viel“, sagt Demmer.

Die bisherigen Erfahrungen mit Quereinsteigern sind aus Expertensicht aber recht gut. Es habe anfangs Bedenken gegeben, ob solche Programme auf Kosten der ordentlich ausgebildeten Lehrer gingen, sagt der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger. Dies sei aber „eindeutig nicht der Fall“. Im Endeffekt seien die neuen Kollegen teilweise auch „sehr befruchtend“ für die Schulen und öffneten diese manchmal auch „ein bisschen zum Leben.“ AFP