Bildungsträger vor Insolvenz: Erster Träger geht pleite
Jugendwerkstatt, die Museumsschiffe pflegt, gibt auf. Bildungsträger wollen nützliche Projekte mit ESF-Mitteln retten.
HAMBURG taz | Erst am vorigen Wochenende konnten tausende Hamburger und Touristen beim Hafengeburtstag wieder Hamburgs historische Schiffe bewundern. Doch Dampfer und Segler wie der Eisbrecher "Stettin" oder das Feuerschiff "Elbe 3", könnten schon bald nicht mehr fahrtüchtig sein.
Denn der Bildungsträger "Jugend in Arbeit", der diese Flotte seit 28 Jahren in seiner Harburger Werft pflegt und restauriert, steht kurz vor der Insolvenz.
Geldsorgen hat der Verein, der zu Hochzeiten 54 Auszubildende und 400 Ein-Euro-Jobber beschäftigte, schon länger. Doch die Lage spitzt sich durch Kürzungen des Bundes zu. Die Zahl der Ein-Euro-Jobber ist schon halbiert, ab August sollen noch weniger kommen.
"Uns fehlen 100.000 bis 150.000 Euro im Monat", sagt der Vereinsvorsitzende Wilfried Schwehn. "Im Juli ist die Liquidität aufgefressen, im August sind wir unter Wasser." Wenn sich nichts tue, werde der Vorstand Insolvenz anmelden.
Der Verein mit seinen 29 Mitarbeitern, darunter erfahrene Bootsbau-Meister, bewahre das maritime Erbe der Stadt, sagt Vorständler Claus Kemmet. "Wir sind ein Teil des touristischen Hamburgs." Doch außer Worten gebe es aus der Politik keine Unterstützung. "Uns ist klar, dass Ein-Euro-Jobs keine Perspektive haben und wir eine Neuausrichtung brauchen", sagt Schwehn.
Es habe eine Sanierungsidee gegeben, nach der die städtische Hamburger Arbeit (HAB) "Jugend in Arbeit" als Ausbildungswerkstatt hätte übernehmen sollen. Doch diesen Plan habe der neue Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) gestoppt.
"Die HAB ist selber in finanziellen Schwierigkeiten", sagt dessen Sprecherin Julia Seifert. Gegenwärtig laufe eine Sanierung. Erst im September, wenn diese abgeschlossen ist, könne man "darüber nachdenken, ob die HAB einen Betrieb aufnimmt".Das könnte zu spät sein.
Petra Lafferentz, Sprecherin der freien Beschäftigungsträger, hat einen anderen Vorschlag: Nicht nur Museumsschiffe, auch Stadtteilcafés und andere Projekte in armen Quartieren, wie Hilfen für drogenabhängige Obdachlose des Projekts "Subway", sind bekanntlich durch die Kürzungen bedroht. "Gemeinsam ist ihnen, dass sie nützlich für die Stadt sind", sagt Lafferentz.
Hamburg solle für sie ein zweijähriges Pilotprojekt mit 2.500 Stellen starten, das je zur Hälfte aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und aus verbliebenen Fördermitteln des Bundes bezahlt wird. "Die Schulbehörde macht bei ihrem Projekt ,Übergang Schule-Beruf' vor, dass so eine Finanzierung funktioniert", so Lafferentz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren