Bildungspolitik: Lernen auf zwölf Quadratmetern
Da sie ihren Schülern zu viel Platz bietet, soll die Ganztagsgrundschule Sternschanze nun auf Räume verzichten. Auch anderen Schulen könnte es so gehen
Die Kehrtwendung kam überraschend. Vor wenigen Wochen erfuhr die Ganztagsgrundschule Sternschanze, dass ihr Gebäude für die Fachräume an der Altonaer Straße nicht wie beschlossen modernisiert und mit sechs neuen Klassenräumen ausgestattet wird. Stattdessen soll die Schule nun auf diese Räume verzichten, weil die Schule ihren Kindern zu viel Platz biete, so die Begründung der Schulbehörde.
Und die Ganztagsgrundschule Sternschanze könnte kein Einzelfall sein. Derzeit vermessen Mitarbeiter der Schulbehörde Schulgebäude in ganz Hamburg und prüfen dabei auch, an welchen weiteren Schulen die SchülerInnen zu viel Platz haben. Rund zwölf Quadratmeter Flächenbedarf sehen die Richtlinien der Schulbehörde pro Schüler vor.
Zwar litten viele „Schulen unter Platznot“, sagt Thomas Bressau, Referent von Schulsenator Ties Rabe (SPD). Doch werde man an einigen Schulen feststellen, dass zu viele Räume und zu große Flächen vorhanden seien. „Mit diesen Schulen werden Gespräche geführt mit dem Ziel, überzählige Flächen abzumieten“, sagt Bressau.
„Wir haben noch keine Übersicht, bei wie vielen Schulen es dazu kommen könnte, dass Räume abgegeben werden müssen“, sagt der Sprecher der Schulbehörde, Peter Albrecht. Ohnehin komme eine Vermietung der Räume nur dann in Frage, „wenn es deutliche Überhänge an Fläche und Räumen gibt“.
Ein Schreiben der Schulbehörde an den Elternrat der Grundschule Sternschanze formuliert es da deutlicher: Schulen mit „erheblichem Raumüberhang“ werden „Flächen abgeben müssen“, auch an der Sternschanze werde die Behörde „eine derartige Situation“ in Zukunft definitiv „nicht mehr unterstützen“. Albrecht hingegen wiegelt ab, „eine Entscheidung ist noch gar nicht getroffen“.
Auf die noch zu fällende Entscheidung wollen Schulleitung und Elternrat der Ganztagsgrundschule Sternschanze Einfluss nehmen. Der Elternrat kann darauf verweisen, dass die Schulinspektion gerade „das hervorragende Kursangebot im Ganztagsbereich“ der Schule lobte, für das ohne den Trakt, den sie nun abgeben soll, kein Platz wäre.
Außerdem wurde die Schule gerade als „sozialer Brennpunkt“ eingestuft, mit der Folge, dass die Schülerzahl ab 2014 pro Klasse von derzeit 23 auf dann 17 bis 19 Kinder gesenkt werden muss. Da es schon jetzt mehr Anmeldungen gibt, als die Schule aufnehmen kann, will der Elternrat die Schülerzahl „unbedingt halten“. Doch „dazu brauchen wir in Zukunft sieben statt sechs Klassen pro Jahrgang, die ohne den zur Disposition stehenden Fachraumtrakt überhaupt nicht untergebracht werden können“, sagt Anja Düvel vom Elternrat.
Fallen die Räume weg, hätte das besonders für die Kinder aus dem benachbarten Karoviertel Folgen. Die hätten wegen der Entfernungsregel kaum noch eine Chance auf einen Platz an der Grundschule Sternschanze.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs