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Bildungslandschaft OstdeutschlandÖffentliche Schulen in Bedrängnis

Im Kampf um sinkende Schülerzahlen werden Privatschulen in Ostdeutschland eine immer ernsthaftere Konkurrenz. Ihr Gründungsboom hält an.

Sächsische Lehrer protestieren schon seit Jahren gegen die Schließung öffentlicher Schulen. Mit wenig Erfolg. Bild: ap

Das Beispiel ist selbst für sächsische Verhältnisse ungewöhnlich. In Schneeberg versucht ein evangelischer Schulverein mit allen Mitteln, eine staatliche Mittelschule aus einem ihrer Standorte zu verdrängen. So vehement, dass sogar der aus dem Erzgebirge stammende Kultusminister Steffen Flath (CDU) Bedenken hat. Der Schulpolitiker Thomas Colditz aus der CDU-Landtagsfraktion hält das Vorhaben für unnötig.

In den ostdeutschen Ländern steigt die Zahl freier Schulen weiterhin stark an. Im Raum Potsdam besuchen beispielsweise 17 Prozent der Schüler eine freie Schule. Zumindest in Sachsen kann von einem Nachholbedarf nicht mehr die Rede sein. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts liegt der Freistaat mit 11,4 Prozent Anteil von Schülern in Privatschulen an der Spitze in der Bundesrepublik. Aber auch andere ostdeutsche Bundesländer haben mit Anteilen zwischen fünf und knapp acht Prozent den Bundesdurchschnitt ungefähr erreicht.

In Schneeberg kämpft Jochen Vogel verbissen gegen die, wie er es nennt, evangelische "Ersatzschule". Vogel ist Vorsitzender eines "Vereins für die Sicherung und Unterstützung schulgeldfreier Bildung". Er tritt mit zahllosen Briefen und Petitionen der gegen "Bildungsapartheid" und "soziale Schieflage" in der sächsischen Bildungspolitik an.

Dabei hat Vogel heimliche Verbündete im sächsischen Kultusministerium. Dort wollte man vor drei Jahren hat per Gesetz weitere Privatschulgründungen erschweren. Insbesondere sollte der "Wildwuchs" an freien Berufsschulen eingedämmt werden. Sie sind in die vom Dualen System hinterlassenen Ausbildungslücke gesprungen, ein Viertel der Berufsschulen sind privat - ebenfalls ein bundesweiter Spitzenplatz. Die CDU-Landtagsfraktion milderte die Restriktionen allerdings ab.

Dennoch hält der Sprecher des Kultusministeriums das angestrebte gute Miteinander zwischen Staat und freien Schulen für "extrem gestört". Aus Brandenburg kommen ähnliche Nachrichten. Einerseits liegen in offiziellen Verlautbarungen freie Schulen beispielsweise dem Thüringer Kultusminister Jens Goebel (CDU) "sehr am Herzen". Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) lobt die "Vielfalt der Bildungslandschaft". Andererseits macht der staatlichen Seite überall die Konkurrenz der Privatschulen zu schaffen.

Für deren steigende Zahl gibt es zunächst die überall anzutreffenden Motive. Misstrauen der Eltern gegen die Qualität staatlicher Schulen, Wunsch nach reformpädagogischen Konzepten und nach besonderer individueller Förderung bis hin zum Eliteanspruch. Hinzu kommt, dass im Osten die Kirchen besonders aktiv sind - sie wollen so aus ihrer Diasporasituation im heidnischen Osten ausbrechen. Das bringt die CDU in Verlegenheit - sie tritt einerseits als Lobby für konfessionelle Schulgründungen auf und andererseits das sächsische Schulsystem nicht aushöhlen lassen.

Vor allem prägt der Kampf um Schulstandorte im Osten maßgeblich das Verhältnis von staatlichen zu freien Schulen. Infolge der Halbierung der Schülerzahlen ist das Schulnetz überall zum Reißen dünn geworden, gerade auf dem Lande. Mit Unterstützung kommunaler Schulträger und der Wirtschaft werden an Stelle der geschlossenen staatlichen Schulen oft freie gegründet. Denn sie sind nicht an Mindestschülerzahlen gebunden.

In Sachsen sind 70 Prozent der Neugründungen der vergangenen vier Jahre solche Ersetzungen. Im Ministerium spricht man deshalb schon vom "täglichen Überlebenskampf staatlicher Schulen" im ländlichen Raum. "Minister Flath muss bloß seine unsinnige Strukturpolitik absagen", hält SPD-Bildungsexperte Siegfried Kost dagegen.

Überlagert wird dieses demographische Problem vom überall schwelenden Dauerstreit um die staatliche Mitfinanzierung der Privatschulen und deren Berechnungsgrundlage. Thüringen stellt gerade auf eine Pro-Schüler-Finanzierung um, während in Sachsen eine Verfassungsbeschwerde der Arbeitsgemeinschaft freier Schulen anliegt. Die Versuchung, an dieser Stelle limitierend zu drehen, bleibt groß. Detlef Baer vom Thüringer Kultusministerium sieht eine "Sättigung" nahen, und der Sachse Colditz möchte "keine weiteren Neugründungen anstreben".

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