Bildungskontroverse: Starterschulen entfachen Streit
Nach dem Volksentscheid wollen Reformgegner auch Schulversuch zur Primarschule stoppen. Doch 23 Einrichtungen arbeiten schon nach neuem Konzept.
Die flächendeckende Einführung der sechsjährigen Primarschule in Hamburg ist seit dem Volksentscheid am 18. Juli vom Tisch. Nun gibt es Streit darum, was aus den so genannten Starterschulen wird. Das sind 23 Hamburger Grundschulen, die bereits vor einem Jahr in ihren 4. Klassen mit neuen Bildungsplänen begannen und nach den Sommerferien erstmals ihre Schüler in 5. Klassen behalten werden - insgesamt 865 Kinder.
Hamburgs Grüne Schulsenatorin Christa Goetsch hatte gleich am Montag nach dem Volksentscheid angekündigt, diese Schulen würden "nach Kräften unterstützt" und erhielten Bestandsschutz. Doch der Sprecher der Volksinitiative "Wir wollen lernen", Walter Scheuerl, macht seit Tagen Stimmung gegen diese Überbleibsel der Reform. Diese seien im Schulgesetz nicht verankert und höchstens über einen von jeder Einzelschule im Herbst zu beschließenden Schulversuch möglich. Die oppositionelle SPD stößt ins gleiche Horn. Starterschulen machten zehn Prozent der Grundschulen aus. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass das Ergebnis des Volksentscheids nicht umgesetzt wird", sagte SPD-Fraktionschef Michael Neumann.
"Es war leichtsinnig von den Eltern, ihre Kinder an der Primarschule anzumelden", sagt Scheuerl zur taz. Sie müssten ihre Kinder jetzt gleich nach den Ferien an Gymnasien oder Stadtteilschulen unterbringen. Denn ein Schulversuch, den Scheuerl im Prinzip ablehnt, könne frühestens im Herbst beschlossen werden. "Mag sein, dass man die Kinder dann im Oktober wieder rüberwechseln lässt."
Die Hamburger Schulbehörde reagierte mit einer Richtigstellung auf Scheuerls Äußerungen. "Die jetzt angemeldeten Primarschüler genießen Vertrauensschutz", sagte Sprecher Jan Bruns. Dieser ist im Schulgesetz für die heutigen Stadtteilschüler und Gymnasiasten verankert und gilt nach Aussage der Behördenjuristen auch für die Starterschulen. Was heißt: Diese können einmalig mit neuen 5. Klassen starten und die SchülerInnen bis einschließlich Klasse 6 zusammenbleiben. Danach werde die Behörde den Übergang in die 7. Klasse einer Stadtteilschule oder eines Gymnasiums "eng begleiten". Bruns: "Unabhängig davon können diese Schulen auch für die kommenden Jahrgänge einen Schulversuch beantragen."
Das wäre eine Gelegenheit, die neuen Konzepte gründlich zu erproben. Wie beispielsweise das "Sprachenkarussel", das die Schule Grumbrechtstraße entwickelt hat. Denn Primarschulen sind nicht einfach verlängerte Grundschulen, sondern sehen schon ab Klasse 4 den Sprach- und Fachunterricht vor. An der Grumbrechtstraße konnten alle Viertklässler jeweils neun Wochen lang Französisch, Englisch, Spanisch und Latein ausprobieren, um dann statt der Eltern selber zu entscheiden, welche Sprache sie in der 5. Klasse lernen. Auch Kunst, Musik und Naturwissenschaft wurde dort bereits in Klasse 4 vertieft. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass die Primarschule nicht kommt", hatte Schulleiter Reiner Kühlke noch vor Wochen gesagt.
Das Argument für die Primarschule war, dass diese Kindern mehr Zeit für die Entwicklung biete, bevor sie auf andere Schulformen aufgeteilt werden. Kritiker sagten, es fehle der empirische Beweis für deren Vorteile. Sogar Scheuerl hatte im Frühjahr, als er noch mit dem Senat über einen Kompromiss verhandelte, auf einen Schulversuch gedrängt. Daran erinnert, sagte er zur taz: "Wenn sie einen Schulversuch wollen, dann sollen sie ihn in Gottes Namen machen."
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