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Archiv-Artikel

Bildung wird immer wichtiger

Wenn ein Text von Karl Marx von 1875 zitiert wird, um für die Einführung von Studiengebühren zu argumentieren, kann etwas nicht mit rechten Dingen zugehen. Denn die Funktion und der Stellenwert der universitären Bildung haben sich in den letzten 130 Jahren gravierend gewandelt.

Seit Karl Marx hat der technisch-industrielle Fortschritt auch dazu geführt, dass ein Großteil der Arbeitnehmer nicht mehr direkt mit der Produktion von Waren befasst ist, sondern nur mittelbar durch produktbezogene Dienstleistungen in Forschung, Logistik, Verwaltung, Werbung und ähnlichen Sektoren. Die Erbringung dieser Dienstleistungen erfordert gegenüber der Produktion von Waren einen höheren Bildungsstand und speziellere Fachkenntnis. Bildung genießt also heute einen viel höheren Stellenwert als zur Zeit von Karl Marx. Und Bildung wird immer wichtiger!

Dies wird auch langsam in Deutschland erkannt. Und das, wie Pisa & Co. eindrucksvoll belegen, leider erst sehr spät, denn es wurde bislang versäumt, das Bildungssystem gründlich zu reformieren. Bildungsferne Schichten sind an deutschen Hochschulen immer seltener anzutreffen, Studenten studieren „zu lange“ und Unternehmen klagen über die Theorielastigkeit eines Universitätsstudiums. Aber kann die Lösung für diese Probleme wirklich in einer Erhebung von Studiengebühren gesehen werden?

Nein, denn das würde die tatsächlichen Probleme der deutschen Bildungspolitik nicht lösen. Noch immer würde der Bildungsstand in Deutschland zu sehr vom familiären sozialen Hintergrund abhängen – sogar noch mehr als vorher – und noch immer würden die veralteten Strukturen unseres Bildungssystems deutsche Hochschulen daran hindern, eine „bedarfsorientierte“ Bildungspolitik zu betreiben. Es muss den Hochschulen bei ihrer Hochschulpolitik ein größerer Handlungsspielraum gewährt werden. Durch eine höhere Flexibilität der Universitäten könnten diese eine bedarfsorientierte Bildungspolitik betreiben. Staatliche Fördermittel könnten dann teils vom „Erfolg“ der jeweiligen Hochschule abhängig gemacht werden und die Konkurrenz in der Bildungslandschaft fördern.

JAN A. HUTTERER, Norderstedt