Bildung und Arbeitslosigkeit: Der Risikofaktor
Wer hierzulande nur über eine niedrige Bildung verfügt, hat ein im internationalen Vergleich besonders hohes Risiko, später arbeitslos zu werden.
Nach Zahlen, die das Statistische Bundesamt am Freitag veröffentlichte, sind in Deutschland von der Bevölkerungsgruppe, die höchstens Realschulabschluss hat und keine Berufsausbildung, 17,7 Prozent arbeitslos. Unter AkademikerInnen und Meistern hingegen liegt die Erwerbslosigkeit bei nur 3,7 Prozent. Im Durchschnitt der Europäischen Union sind nur 9,2 Prozent der Leute mit einfachen Bildungsniveau ohne Job, bei den Akademikern 3,6 Prozent.
In Großbritannien und Frankreich etwa ist der Unterschied zwischen den arbeitslosen Gering- und Hochqualifizierten nicht so groß wie hierzulande. In der Slowakischen Republik sowie in Tschechien war hingegen das Risiko der Arbeitslosigkeit bei einfacher Bildung jeweils mehr als zwölfmal so hoch wie mit einer höheren Bildung.
Generell waren es vor allem die osteuropäischen Staaten, in denen die Arbeitsmarktchancen je nach Bildungsniveau besonders ungleich verteilt waren. Die Zahlen beziehen sich auf 25- bis 64-jährige BürgerInnen.
Die Proportionen hierzulande hätten sich dabei über die Jahre kaum verändert, erklärte Thomas Körner, Arbeitsmarktexperte beim Statistischen Bundesamt. Eine erste Erklärung für die Situation in Deutschland ist eine gute Nachricht: Der Anteil der Geringqualifizierten an der Bevölkerung sei kleiner als in manch anderen Ländern, so Körner.
Wer nur höchstens einen mittleren Schulabschluss hat, der sieht sich in der Regel einer großen Konkurrenz an Jobsuchenden gegenüber, die entweder über eine abgeschlossene Lehre, Berufsfachschule oder sogar Abitur verfügen. Nur 15,6 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland hat weder Berufsausbildung noch Abitur. Zum Vergleich: In Frankreich liegt diese Quote bei 31,3 Prozent, in Großbritannien bei 25,5 Prozent. Der Anteil der Geringqualifizierten an der Bevölkerung hat hierzulande beständig abgenommen.
Auch der Strukturwandel in der Wirtschaft lasse den Bedarf an Geringqualifizierten in Deutschland sinken, sagte Arbeitsmarktexpertin Franziska Schreyer vom Nürnberger IAB-Institut der taz. Das Stellenangebot für diese Gruppe sei beständig geschrumpft, neue Jobs entstünden vor allem bei den anspruchsvolleren Dienstleistungen. Unter den Menschen ohne Berufsabschluss sei im Osten jeder Zweite, im Westen etwa jeder Vierte ohne Arbeit, berichtete Schreyer.
Während in Deutschland viele BürgerInnen wenigstens mittlere Reife oder Berufsausbildung haben, sieht es im Hochschulbereich anders aus. Nach Zahlen der OECD-Organisation schließen hier nur 20 Prozent eines Altersjahrgangs ein Studium ab. In Polen sind es mehr als 40 Prozent. Der Durchschnitt der OECD-Länder liegt bei 30 Prozent. In fast allen Ländern sind die Beschäftigungsquoten der AkademikerInnen am höchsten.
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