Bilder, Streit etc.: Hängen oder nicht
■ Ein Urteil und die Berufung zur Ausstellung „Aufstieg und Fall der Moderne“ in Weimar: Die Kulturstadt Europas ist überfordert
Weimar hat eine harte Zeit als europäische Kulturhauptstadt 1999. Wo andere Länder bislang ein Jahr ausgiebig feiern durften, werden hier die einzelnen Events zum Kampfplatz der Politik. Ohne Widerstand läuft in Weimar offenbar gar nichts: Gegen einen Stelenpark des französischen Konzeptkünstlers Daniel Buren hatte eine Bürgerbewegung schon im Vorfeld erfolgreich mobilgemacht; als das Hauptprogramm bekanntgegeben wurde, gründete sich die „Gruppe der sieben Zwerge“, um die Dominanz der Highlights gegenüber dezentraler Kulturarbeit zu kritisieren, und jetzt hat auch noch das Landgericht Erfurt verordnet: „Hängt die Bilder ab!“
Als am Donnerstag das Urteil in Sachen Ellena Olsen bekannt wurde, war die Ausstellung „Aufstieg und Fall der Moderne“ bereits im Feuilleton herumgereicht worden. Niemand mochte sich so recht mit der Willkür anfreunden, mit der die Kuratoren Thomas Föhl und Achim Preiß unter anderem Sozialistischen Realismus und „nicht-öffentliche“ Kunst in der ehemaligen DDR auf grauer Hintergrundfolie eng nebeneinandergehängt hatten.
Eduard Beaucamp von der FAZ sah darin einen Affront gegen die Malerfürsten unter den Staatskünstlern, deren Qualität nun im Einerlei banalisiert werde. Den Dissidenten ging es eher umgekehrt: Warum sollten Künstler, die das System über Jahre ignoriert, bespitzelt oder drangsaliert hatte, plötzlich zur gleichen kulturellen Sippschaft gehören wie Willi Sitte und Co. – zumal nebenan noch die Nazischinken aus der Sammlung Adolf Hitlers gezeigt werden?
Der Bundesverband Bildender Künstler protestierte gegen „die latente, möglicherweise beabsichtigte Gleichstellung mit der Kunst des Nationalsozialismus“, während betroffene DDR-Künstler ihre Bilder aus der Gemengelage mit der SED-Staatskunst entfernen lassen wollten.
Preiß nahm das alles gelassen: Als Kurator der Staatlichen Sammlungen zu Weimar habe er schließlich nur „inszenatorische Freiheiten“ ausgeschöpft – ein Experiment mehr zwischen doppeltem Goethe-Gartenhaus und den üblichen Kulturhauptstadtaktivitäten.
Das Gericht sah es anders. Die Herabwürdigung der Bilder von Ellena Olsen wurde als Verletzung des Urheberrechts gewertet, die tatsächliche Abhängung der Gemälde bleibt nach der noch unbegründeten Berufung durch die Kunstsammlungen am Freitag noch offen.
Verbockt hat Föhl die Sache allemal: Die historische Beliebigkeit, die der Ausstellungsmacher aus Wuppertal mit seiner Auswahl an den Tag gelegt hat, dürfte ihm auch im Westen wenig Freunde bringen. Die geschichtliche Relativierung von Positionen läßt sich auch kunsthistorisch kaum unter Experiment verbuchen. Und die Verantwortlichen in Sachen Kulturhauptstadt müssen sich fragen, wieso der berechtigte Einspruch von KünstlerInnen erst vor Gericht ausgefochten werden mußte? Offenbar ist Weimar mit kulturell repräsentativen Aufgaben überfordert. Harald Fricke
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