Bienen leiden unter Ackergift: Wo nichts blüht, da summt auch nichts
Imker schlagen Alarm: Auch in diesem Sommer geht das Sterben der Bienen weiter. Ihnen setzen Monokulturen und Ackergifte zu.
Im August leuchtet auf den Wiesen gelb der Hornklee, blau der Gamander-Ehrenpreis, rot der Große Wiesenknopf - eigentlich. "Wir haben im Sommer kaum noch blühende Landschaften", sagt Hubert Weiger, der Chef des Umweltverbandes BUND. Dabei wären das von Natur aus die Monate, "in denen die meisten Pflanzen blühen". Die Folge: Bienen hungern. Das müsse sich ändern, forderte Weiger am Donnerstag.
Bienen sind das drittwichtigste Nutztier nach Rind und Schwein, sagen Experten. Die gestreiften Insekten bestäuben Blumen, Gemüsepflanzen und Obstbäume, wenn sie in den Blüten Nektar saugen. Ohne sie gäbe es viele Früchte nicht. Das ist seit Langem klar, doch zum ersten Mal warnen Umweltschützer so deutlich, dass Apis mellifera aushungert.
Die Honigbiene und ihre Artgenossen finden auf Wiesen und Feldern, die von den Landwirten auf Ertrag getrimmt werden, heute kaum noch Nahrung. Dabei sind sie ohnehin schon gestresst. "Mittlerweile gehen jedes Jahr 30 Prozent der hiesigen Bienenvölker verloren", sagt Manfred Hederer, Präsident des deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes. Die natürliche Sterberate liege allenfalls bei 5 Prozent. Heute gebe es noch gut 600.000 Bienenvölker. Noch vor hundert Jahren seien es vier Millionen gewesen.
Ist der Landwirt der Hauptfeind der Biene? Davon will Hans-Dieter Stallknecht vom Deutschen Bauernverband nichts wissen. "Es wachsen doch wieder Kornblümchen", sagt er. Schuld habe vielmehr die Varroa-Milbe. Die macht es sich im Stock gemütlich, wo sie Bienen und ihre Brut aussaugt. Das Spinnentier galt lange als Problem. Mittlerweile, sagt jedoch Bienenzüchter Hederer, sei sie "gut unter Kontrolle". Landwirte müssten umdenken.
Die Bienen kommen nicht nur schlecht mit den blütenarmen Wiesen zurecht. Auch Ackergifte setzen ihnen zu. Im Jahre 2008 gingen in Südwestdeutschland 11.000 Bienenvölker von 700 Imkern ein oder wurden stark geschädigt. Das ging nachweislich auf Clothianidin zurück, ein Nervengift von Bayer Crop Science, mit dem Saatgut von Raps und Mais behandelt wird, damit sich gefräßige Insekten fernhalten. Es breitet sich in der Pflanze aus. Wie giftig es für den Menschen ist, ist unklar. Fest steht für Hederer nur: "Irgendwann findet man auch mal was im Honig."
Clothianidin wurde zwischenzeitlich auch verboten, ist heute aber wieder im Einsatz: Die Saatgutwirtschaft habe damals ungenügend behandeltes Saatgut freigegeben, argumentiert Bauernvertreter Stallknecht, es habe sich also um einen einmaligen Fehler gehandelt. Das sieht Umweltmann Weiger anders: Er will ein Verbot und wieder blühende Landschaften. Nur: CSU-Bundesagrarministerin Ilse Aigner ist Ökoratschlägen bisher kaum gefolgt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe