: Bienen dürfen schöner wohnen
STADTNATUR Das Projekt „Berlin summt“ bringt Bienenkörbe an prominente Plätze – und damit die Natur näher an die Großstädter. Auch das Imkerhandwerk soll so beworben werden
UWE MART, IMKER
VON JULIANE WIEDEMEIER
Die Bienen setzen gerade ihren guten Ruf aufs Spiel. Emsig und fleißig sollen sie doch sein, aber an diesem Montagmorgen, früh um halb neun, klettern sie nur vereinzelt auf die Startrampe des viereckigen Kastens, in dem ihr Stock zu Hause ist. Eine kleine Runde drehen die ersten Frühaufsteher durch die frische Frühlingsluft, dann geht es zurück, ausruhen. Der Umzug war wohl doch anstrengender als gedacht.
Denn der Ort, an dem die Bienen in diesem Sommer Honig produzieren sollen, ist neu für sie. Eigentlich ist das Planetarium am Insulaner in Steglitz nur an Himmelsereignissen interessiert, die jenseits der blühenden Robinien im Vorgarten des Hauses zu beobachten sind. Doch die Bienen können daraus leckeren Honig gewinnen – und ein wenig Werbung für sich selbst machen. Gemeinsam mit elf weiteren Bienenvölkern, die in diesem Jahr an prominenten Plätzen der Stadt ihrer Arbeit nachgehen werden.
„Berlin summt“ heißt die Aktion des Vereins „Umweltforum für Aktion und Zusammenarbeit“ (UfAZ). Wie 13 weitere Projekte setzt sich „Berlin summt“ im Rahmen der Initiative „Über Lebenskunst“ der Kulturstiftung des Bundes und des Hauses der Kulturen der Welt künstlerisch mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander. Andere lassen Bodybuilder beim Training Strom erzeugen oder in Installationen auf der Spree das Flusswasser aufbereiten. „Berlin summt“ bringt Bienenvölker auf den Berliner Dom, das Abgeordnetenhaus – oder eben ins Atrium des Planetariums an Insulaner. „Uns geht es darum, die Natur zurück in den Stadtraum zu holen“, erklärt Cornelis Hemmer vom UfAZ. Viele Großstädter hätten keinerlei Beziehung mehr zu Tieren, die nicht ihr Schoßhund seien, könnten nicht einmal eine Biene von einer Wespe unterscheiden. „Mit unserer Aktion wollen wir sie für ihre Umwelt sensibilisieren.“
Für Bienen habe man sich entschieden, da sie als verlässliche Produzenten von Honig und Wachs ein Zeichen für eine funktionierende Beziehung zwischen Tieren und der Natur seien. „Außerdem ist die Biene ausschließlich positiv besetzt“, meint Hemmer. Und führt als Referenz die berühmte Biene Maja an, die mit ihrem Freund Willy immer so fröhlich durch die Gegend schwirrte. Vor dem Horrorfilm-Klassiker „Angriff der Killerbienen“ hat er offenbar ebenso die Augen verschlossen wie vor dem Ende von „My Girl“, als der Hauptdarsteller, von wilden Bienen zerstochen, an einem allergischen Schock verstirbt.
Dabei ist es gerade diese zweite Seite der Bienen, die aus einer schönen kleinen Kunstaktion wirkliche Arbeit machte und dafür sorgte, dass drei Mitglieder des Vereins seit Oktober Vollzeit damit beschäftigt waren, Standorte für die Bienenkörbe aufzutun. „Einen hätten wir etwa gerne an der Philharmonie aufgestellt, weil summende Bienen und Musik doch gut zusammenpassen“, erzählt Hemmer. Doch allen Bemühungen zum Trotz habe man die Verantwortlichen nicht überzeugen davon können, dass die Bienen nicht auf der Stelle das gesamte Orchester berufsunfähig stechen würden, ließe man sie dort frei herumsausen.
Auch das Rote Rathaus, das Bundeskanzleramt und der Reichstag hätten abgelehnt. „Dort ging es jedoch eher um Sicherheitsbedenken sowie das Argument: Wenn wir Bienen erlauben, was kommt dann als Nächstes?“, so Hemmer. Am Flughafen Tempelhof habe man sich ebenso die Zähne ausgebissen. „Die Immobilienfirma, die die Gebäude des ehemaligen Flughafens verwaltet, hatte einfach kein Interesse.“
Beim Planetarium stieß man dagegen auf offene Ohren. „Astronomen haben ihren Kopf nicht nur in den Sternen, ihnen steht auch der Umweltschutz sehr nahe“, sagt Leiterin Monika Staesche. Angst, dass Besucher von den Bienen gestochen werden könnten, hat sie nicht. „Unter dem Dach leben bei uns seit Jahren wilde Bienen. Das war noch nie ein Problem.“ Zudem sei der Insulaner-Hügel, dem die Sternwarte seinen Namen verdanke, ein Biotop mit unzähligen Tier- und Pflanzenarten. „Da passen die Bienen doch sehr gut dazu“, findet Staesche.
Doch auch an den Standorten, an denen man sich einigen konnte– etwa beim Naturkundemuseum, der Mensa Nord, der Humboldt-Universität oder dem Schloss Charlottenburg –, habe man sich mit dem Veterinär- und dem Denkmalschutz herumschlagen müssen, sagt Hemmer. „Die 20.000 Euro, die wir für das Projekt bekommen haben, waren da schnell als Personalkosten aufgebraucht.“ Zum Glück sei immerhin die Zusammenarbeit mit den zwölf Imkern, die an jedem der Standorte eins ihrer Bienenvölker stationieren, problemlos verlaufen.
Einer von ihnen ist Uwe Mart. Seine Bienen sind es, die sich in diesem Jahr an den Robinien vor dem Planetarium laben können. Seit 16 Jahren ist der Lehrer in seiner Freizeit Imker; seitdem verteilt er seine etwa zehn Völker im Süden der Stadt auf verschiedene Standorte, damit die Bienen sich nicht gegenseitig den Nektar wegfressen. „Ich bin es gewöhnt, meine Tiere an unterschiedlichen Plätzen aufzustellen. Als ich von Herrn Hemmer angesprochen wurde, musste er mich nicht lange bitten“, erzählt Mart.
Zu Beginn des Frühjahres besteht ein Volk aus 4.000 bis 8.000 Bienen, erklärt der Imker. „Eine Königin legt jedoch an einem Tag bis zu 3.000 Eier.“ Auch wenn dem Stock täglich etwa 1.000 kränkliche Bienen wieder verloren gingen, könne ein Volk im Laufe des Sommers somit auf bis zu 40.000 hungrige Bienen anwachsen. „In der Umgebung des Planetariums gibt es neben den Robinien noch viele andere Pflanzen wie Ahorn und Schlehen sowie einen kleinen Teich als Tränke, sodass eine ausreichende Versorgung sichergestellt ist.“
Einen Widerspruch zwischen Großstadt und Bienenzucht kann Mart nicht erkennen. „Berlin hat einen großen Pflanzenreichtum und bietet Generalisten wie den Bienen, die Nektar aus jeder Art von Blüte mögen, immer Nahrung“, sagt er. Auf dem Land sei das dagegen längt nicht mehr der Normalfall. „Ist da der Mais erst mal verblüht, sind viele Landstriche nur noch eine große Kultursteppe.“
Womit Mart einen der Gründe für das Bienensterben aufzählt, das in den vergangenen Jahren immer wieder als Thema in den Medien auftauchte. In Deutschland sei das zwar noch kein so großes Problem, meinen sowohl der Imker als auch Cornelis Hemmer. Doch natürlich wolle „Berlin summt“ darauf aufmerksam machen – weshalb Hemmer auch gleich die verschiedenen Phänomene aufzählt, die die Bienen in ihrer Existenz bedrohen.
Zum einen sei da die asiatische Varroamilbe, die sich an den Bienen festsauge wie ein Blutegel, was diese stark schwäche, erklärt Hemmer. Darüber hinaus gebe es Fadenwürmer, Darmparasiten sowie den Nordamerikanischen Faulbrut-Virus, der dazu führe, dass die Larven in ihren Waben verfaulten. Letzterer sei auch in Berlin verbreitet, was man dadurch einzudämmen versuche, dass man Bienenvölkern das Übertreten von Bezirksgrenzen untersagt habe, falls diese nicht ein Faulbrut-Zeugnis erbringen könnten. „Unsere Imker waren also bei der Wahl der prominenten Standorte begrenzt. Wenn man jedoch bedenkt, dass Bienen einen Aktionsradius von fünf Kilometern haben, erkennt man in dieser Regelung einen eher verzweifelten Versuch, diese Krankheit in den Griff zu bekommen“, meint Hemmer. Und verweist auf die größte Gefährdung der Bienen in Deutschland: das Aussterben der Imker.
„Unser Handwerk geht verloren“, bestätigt Uwe Mart. Mit 54 sei er schon einer der jüngeren Imker in seinem Lichterfelder Verein. Zwar würde die eigentliche Arbeit natürlich von den Bienen erledigt, aber nach diesen müsse man regelmäßig schauen. „Zwischen April und Juli einfach mal zehn Tage in den Urlaub fahren, das geht nicht.“
Darum macht „Berlin summt“ auch Werbung für die Imkerei. Wenn das Projekt ab Mai mit der ersten Honigernte mit Schau-Schleudern und Honigproben in die nächste Phase geht, wird auch das Handwerk genauer vorgestellt. „Wir erwarten, an allen zwölf Standorten etwa 500 Kilo Honig zu gewinnen“, sagt Hemmer. Der wird unter einem eigenen Label zugunsten des Projekts verkauft werden. Denn „Berlin summt“ soll auch unabhängig von der bisherigen finanziellen Förderung weitergehen.
„Die Bienenkästen sollen, wenn es nach uns und den Imkern geht, auch in den kommenden Jahren an ihren Standorten stehen bleiben“, so Hemmer. Ob das aber an allen Orten möglich sei, müsse noch geklärt werden. „Sicher ist, dass im nächsten Jahr am Hamburger Bahnhof und der Neuen Nationalgalerie Bienenkörbe aufgestellt werden.“ Auch die Expansion in andere Städte – darunter München – werde gerade vorangetrieben. „Dann summt nicht mehr nur Berlin, sondern ganz Deutschland.“