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Biathletin Andrea HenkelAusbildung zur Schnellschützin

Vor ihrer letzten Saison hat Andrea Henkel ihr Training umgestellt. Bei Olympia will sie versuchen eine Medaille zu gewinnen – wie vor zwölf Jahren.

Letzte Runde: In ihrer Abschiedssaison will Andrea Henkel gewinnen Bild: dpa

ÖSTERSUND/KÖLN taz | An möglichen Verständigungsengpässen lag es nicht, dass Andrea Henkel und ihr Lebensgefährte, der amerikanische Biathlonkollege Tim Burke, den NSA-Skandal und das ausspionierte Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Alltag bislang außen vor gelassen haben.

„Mein Englisch war am Anfang fürchterlich. Aber inzwischen hab ich es gelernt“, erklärt die 35-jährige Henkel jedenfalls – ehe sie bekennt, dass sie das Thema Abhörskandal mit ihrem Partner bis dato „weniger diskutiert“ habe. Es sei, findet Henkel zwar, „schockierend, was da alles passiert ist. Aber ich kann ja eh nichts daran ändern.“

Momentan in den Hintergrund getreten ist auch ihr Plan, nach dem nahenden Karriereende in die USA überzusiedeln. Doch der Papierkram ruht nicht wegen ihrer womöglich erkalteten Liebe zu Burke, sondern wegen des Saisonstarts der Skijäger in diesen Tagen in Östersund.

Aufholjagd

Unfallfolgen: Gut sieben Monate nach ihrem Fahrradunfall mit vierfachem Wirbelbruch steht Miriam Gössner, die 23 Jahre alte Skijägerin aus Bayern, in diesen Tagen vor dem Comeback. Vor den ersten Einzelrennen beim Weltcup in Östersund weiß Gössner aber auch, „dass es nach wie vor ein langer Weg ist und es sicher in den kommenden Wochen nicht immer nur bergauf gehen wird“. Die Schmerzen seien immer da. „Wir werden von Woche zu Woche entscheiden, bei welchen Rennen ich an den Start gehe und wann es unter Umständen Sinn macht, dem Körper etwas Ruhe zu gönnen oder noch einmal einen Trainingsblock einzuschieben“, sagte Gössner. Die Biathletin hatte hatte sich bei einem Fahrradcrash im Mai in Norwegen vier Lendenwirbel gebrochen. Anfangs konnte sie die Beine kaum bewegen und hatte starke Schmerzen. „Ich hätte auch im Rollstuhl landen können“, so Gössner. (taz)

Für die Dauerbrennerin im Deutschen Ski-Verband ist es 18 Jahre nach ihrem Weltcupdebüt der Beginn ihrer Abschiedstournee – und deshalb hat die Zukunft jetzt Pause. Denn, so Henkel: „Ich weiß ja nicht, ob ich zwischendurch nicht irgendwann auf irgendeine Botschaft muss und dann sagen müsste: ’Tut mir leid, ich kann aber nicht.‘ Das wäre mir zu stressig.“

Vielmehr will sie ihre letzten Monate als Biathletin genießen. Beim siebten Platz mit dem gemischten Doppel am Sonntag, nach dem Henkel unterschiedliche Urteile über ihre Laufleistung („Am Berg hat alles gepasst“) und den Auftritt am Schießstand („Ätzend“) fällte, gelang das nur in Maßen. Im Anschluss an die ersten Einzelrennen der Saison soll das Fazit dann freundlicher ausfallen.

Medaillenchance im Einzelrennen

So wie bei der letzten Weltmeisterschaft in Nove Mesto. Da holte Henkel in dem Wettkampf über 15 Kilometer, in dem jeder Fehlschuss mit einer Strafminute geahndet wird, Silber. Für die 158 Zentimeter große Frau war es die erste Einzelmedaille nach fünfjähriger Dürre. Vor allem im Einzel ist für die Doppelolympiasiegerin von Salt Lake City bei den Spielen in Sotschi also ein weiteres Stück Edelmetall drin. In jener Disziplin, in der sie in den Bergen von Utah schon 2002 triumphierte.

„Ich weiß natürlich, dass meine Chancen im Einzel gar nicht so schlecht sind“, kokettiert Henkel, die ihrer Teamkollegin Miriam Gössner trotz deren folgenschwerem Fahrradunfall vom Frühjahr mit vier gebrochenen Lendenwirbeln und einer lädierten Bandscheibe prophezeit: „Ihr riesiges Lauftalent wird ihr in dieser Saison noch zugutekommen. Sie wird schneller wieder da sein, als ich das vielleicht gewesen wäre.“

Sie selbst will sich auf ihre alten Sportlerinnentage noch einmal auf ganzer Breite beweisen. Im letzten Jahr war Henkel als beste Deutsche Dritte im Gesamtweltcup, hätte sich neben den vielen Platzierungen zwischen Rang vier und acht nur gerne häufiger auf dem Siegerpodest gesehen. Das will sie nun nachholen.

Sie stellte in der Vorbereitung noch einmal ihr komplettes Dasein als Biathletin auf den Prüfstand: Im Training konzentrierte sich die achtmalige Weltmeisterin auf ihre tendenziell zu langsamen Schießzeiten, arbeitete an ihrer Technik und an ihrer Spritzigkeit. „Ich versuche“, sagt die Thüringerin, „also quasi noch mal alles, was geht.“

Wie schnell das mit der Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für die Vereinigten Staaten geht, klärt sich danach. Das Frühjahr 2015 hat Andrea Henkel, die sich via Fernstudium gerade zur Fitnesslehrerin weiterbildet, für ihren Umzug grob ins Auge gefasst. Doch beim Gedanken an den NSA-Skandal erzählt sie noch mit einem Augenzwinkern: „Ich mach da schon manchmal meine Witze und sage: Die wissen doch eh schon alles über mich. Und dann geht’s vielleicht schneller mit der Greencard.“

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