Bezirksreform: Ökologie unter "ferner liefen"
Der bezirkliche Naturschutz hat Mühe, seinen Aufgaben gerecht zu werden. Verbände vermuten Neuorganisation als Grund. Evaluierung durch Senat steht aus.
Die Bezirke tun sich schwer, ihren Aufgaben im Naturschutz nachzukommen. Der Botanische Verein vermutet, dass das an der Neuorganisation durch den CDU-Senat 2006 liegt. Er fragt sich, wann die im schwarz-grünen Koalitionsvertrag bis Ende 2009 versprochene Bewertung dieser Reform endlich vorliege. "Der Vorstand des Botanischen Vereins ist über die Art, wie die Evaluierung im Sande zu verlaufen droht, außerordentlich besorgt", heißt es in einer kürzlich veröffentlichten Erklärung. Laut Umweltbehörde ist die Evaluierung in Arbeit.
Die Naturschutzreferate der Bezirksämter waren vor gut drei Jahren nach dem Vorbild Bergedorfs aufgelöst und anderen Verwaltungseinheiten zugeschlagen worden. Ziel des damaligen Finanzsenators Michael Freytag (CDU) war es, die Ämterstruktur stärker auf die Bedürfnisse der Bürger zuzuschneiden. Statt von Amt zu Amt laufen zu müssen, sollten sie Leistungen für verschiedene Lebenslagen jeweils aus einer Hand erhalten.
Die Naturschutzmitarbeiter arbeiteten seit drei Jahren in unterschiedlichen Ämtern, oft unter fachfremden Vorgesetzten. Einen Leiter eines Naturschutzreferates, der direkt beim Bezirksamtsleiter hätte vorsprechen können, gibt es seither nicht mehr.
Die Reform habe wirtschaftsfreundliche Verwaltungsabläufe zum Ziel gehabt, sagt Horst Bertram vom Botanischen Verein. "Dabei hat der Senat übersehen, dass Natur und Landschaft nicht nach diesen Vorgaben betrachtet oder nachhaltig geschützt und gepflegt werden können."
Um die Bezirke zu stärken, hat ihnen der CDU-Senat vor einigen Jahren zusätzliche Naturschutzgebiete übertragen. Der Landesrechnungshof hat daran verschiedenes auszusetzen:
Die Kriterien, nach denen ein Schutzgebiet einem Bezirk oder der Umweltbehörde zugeschlagen wurde, seien sachlich nicht nachvollziehbar.
Die Pflege und Betreuung der Gebiete durch die Bezirke sei in den vergangenen Jahren "teilweise defizitär" gewesen. Verbote seien nicht immer überwacht worden, Pflegearbeiten wie das Entferen von Büschen unterblieben.
Bertram sieht sich durch den jüngsten Rechnungshofbericht bestätigt. Dieser hatte bemängelt, dass die Bezirke mit Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in die Natur bei Bauvorhaben nicht nachkämen. Nur bei 28 von 90 Bebauungsplänen seit 2000 seien Zerstörungen von Naturgebieten ausgeglichen worden. Bei 41 von ihnen sei noch nicht einmal damit begonnen worden. 2008 hätten mehrere Bezirksämter fast oder gar kein Geld für Ausgleichsprojekte abgefordert.
Der Bergedorfer Baudezernent Arne Dornquast erklärt das mit Personalmangel. Der Mitarbeiter habe das Naturschutzgebiet Boberger Niederung betreuen müssen, das dem Bezirk übertragen worden sei, ohne Personal für dessen Verwaltung bereit zu stellen. Mit der Rückkehr des Gebiets in die Verantwortung der Umweltbehörde könne sich dieser Mitarbeiter wieder um Ausgleichsprojekte kümmern.
Bergedorf habe das Naturschutzreferat schon 1998 aufgelöst und gute Erfahrungen damit gemacht. Es genüge nicht, solch ein Referat zu haben, sondern es käme darauf an, dass das Thema von der gesamten Verwaltung ernst genommen werde, sagt Dornquast. Hierdurch seien "alle etwas grüner geworden im Denken und Handeln".
Sven Baumung vom Naturschutzbund (Nabu) bescheinigt der Bergedorfer Verwaltung, dass sie sich um einen Austausch mit den Naturschützern bemühe. Es fehlten jedoch Stellen. Defizite gebe es beim Baumschutz.
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