Bewerbungsverfahren für Raumfahrer: Astronauten gesucht

Die europäische Raumfahrtbehörde ESA sucht Nachwuchs. Bald beginnt das Bewerbungsverfahren. Die neuen Astronauten können durchaus damit rechnen, zum Mond oder Mars zu fliegen.

Ein Beruf, bei dem auch mal rauskommt: Astronaut. Bild: dpa

In Köln-Wahn war diese Woche eine besondere Spezies Headhunter aktiv. Die europäische Weltraumorganisation ESA hatte Pressevertreter des ganzen Kontinents eingeladen, um für den Berufsstand des Astronauten zu werben. Denn am 19. Mai beginnt das Bewerbungsverfahren "European Astronaut Selection".

Michel Tognini, Leiter des Europäischen Astronautenzentrums, stellte das Auswahlverfahren vor. In einem ersten Schritt benötigen interessierte volljährige Männer und Frauen ein flugärztliches Attest. Mit dieser Bescheinigung erhalte man, so Tognini, einen Zugangscode und könne sich dann auf der Homepage der ESA bewerben.

Man rechne mit 20.000 seriösen Interessenten. Von diesen werden in den kommenden Jahren vier Personen ausgewählt. Um der Öffentlichkeit die Tätigkeit des Weltraumreisenden schmackhaft zu machen, berichteten die ESA-Astronauten Gerhard Thiele, Thomas Reiter Reinhold Ewald, Hans Schlegel, Léopold Eyharts und Paolo Nespoli über ihre Laufbahn.

Die europäische Raumfahrt benötigt für die zukünftigen Missionen dringend Nachwuchs. Mit dem Ausbau der Internationalen Raumstation (ISS) durch das europäische Columbus-Labor und dem ersten erfolgreichen Versorgungsflug des Automatischen Transferfahrzeugs zur ISS habe für die europäische bemannte Raumfahrt eine neue Ära begonnen, erklärte der Leiter des Astronautenzentrums.

Reinhold Ewald, einer der bekanntesten deutschen Astronauten, erklärte den Personalbedarf mit einer einfachen mathematischen Formel: "Ohne neue Kollegen wird unser Astronautenkorps jährlich durchschnittlich ein Jahr älter." Der 51-jährige Mönchengladbacher war zwar nur ein einziges Mal für knapp drei Wochen auf der Station MIR im All. Seitdem aber trainiert er seine Kollegen am Boden.

"Es gibt keinen standardisierten Karriereweg", erklärt Ewald. Er selbst studierte Physik und Medizin, bevor er sich 1985 bei der Raumfahrt bewarb. Es gehe um die Einstellung zur Aufgabe, so Ewald. Er selbst habe während seines Studiums nicht geplant, später ins Weltall zu reisen.

"Die Science-Fiction-Abteilung der städtischen Bibliothek habe ich natürlich als Junge schon leergelesen", gibt er dann doch schmunzelnd zu. Allerdings solle man sich als Bewerber nicht darauf verlassen, nur spektakuläre Abenteuer zu erleben. "Die Arbeit mit der Zentrifuge macht höchstens zehn Prozent der Zeit aus." Natürlich stehe man mehr im Rampenlicht als andere akademisch ausgebildete Menschen, aber letztlich sei man doch nur Wissenschaftler.

Die Astronautin Claudie Haigneré, so berichtet Ewald, hat es inzwischen geschafft, in Frankreich Forschungsministerin zu werden. Andererseits benötige man für die Zeit in der Raumkapsel und in der Station keine Einzelkämpfer. Sozialverhalten sei überaus wichtig. "Egoshooter wären in Krisensituationen überfordert."

Die neue Astronautengeneration, so die Einschätzung der ESA, könne durchaus damit rechnen, zum Mond zu fliegen. Auch bemannte Marsmissionen wolle man nicht ausschließen. Die technische Entwicklung habe wie in vielen anderen wissenschaftlichen Bereichen eine rasante Dynamik. Vorstellbar sei auch, so Ewald, Asteroiden zu bereisen.

Auf die Gefahren des Berufs angesprochen, erwidert er: "Ich habe nach der Challanger-Katastrophe weitergemacht." Natürlich könne bei jeder neuen Mission wieder etwas passieren. "Aber es gibt einen stillen Vertrag mit den Ingenieuren, dass wir immer das nach Menschenwissen beste und sicherste Fahrzeug zur Verfügung gestellt bekommen."

Warum überhaupt die Raumfahrt ein notwendiger Forschungszweig sei, wurde auf der Veranstaltung kaum erklärt. Durch die Schwerelosigkeit im All könne man wichtige physikalische, chemische und biologische Experimente machen, so Ewald. Auf einem dem Publikum vorgeführten Werbefilm schimmerte noch eine andere Motivation durch. Mit kindlicher Begeisterung versucht eine Astronautin, schwebende Lebensmittel mit dem Mund aufzuschnappen. Ein anderer Raumstationsbewohner spielt mit überdimensionalen Wassertropfen wie mit Seifenblasen. Ist die Raumfahrt ein infantiles Hobby der internationalen Staatengemeinschaft? Zwar wurde von dem kriegerischen Aspekt der Raumfahrt an diesem Tag wenig berichtet. Aber das Gelände der ESA grenzt unmittelbar an den militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn.

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