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Bewerber für LehrstellenNicht zu dumm, aber zu wenig

Betriebe beklagen schlechte Bildung von Lehrstellenbewerbern. Das größere Problem ist aber der Schülerrückgang.

Selbst im Krisenjahr 2009 konnte jeder fünfte Betrieb nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Bild: dpa

Die Klage ist alt - doch jetzt, da Lehrstellenbewerber wegen des Geburtenrückgangs knapp werden, schlägt die Wirtschaft erst recht Alarm. Die "mangelnde Ausbildungsreife" vieler Schulabgänger sei ein großes Problem bei der Stellenbesetzung, erklärte am Donnerstag Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), bei Vorlage einer neuen Studie.

15.000 Unternehmen hatte der DIHK befragt. Das Ergebnis: Selbst im Krisenjahr 2009 konnte jeder fünfte Betrieb nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. 63 Prozent der Betriebe, die nicht alle Lehrstellen füllen konnten, erklärten in der neuen Umfrage, es hätten "keine geeigneten Bewerbungen vorgelegen". Im Jahr davor hatten dies nur 60 Prozent der Unternehmen als Begründung angegeben.

Sind die Schulabgänger also dümmer als frühere Jahrgänge? Oder führt der demografische Rückgang der Jugendlichenzahlen schlichtweg rein rechnerisch dazu, dass die Unternehmen nun unter weniger Bewerbern auswählen müssen und sich daher öfter auch mit schwächeren Schulabgängern konfrontiert sehen?

Laut der diesjährigen Umfrage stellte etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen fest, dass die Schulabgänger Mängel im mündlichen und schriftlichen Ausdrucksvermögen aufwiesen. Im Jahre 2006 hatten dies aber noch zwei Drittel der Betriebe beklagt. Die Hälfte der Unternehmen rügte Mängel in elementaren Rechenfertigkeiten, auch hier lag der Anteil vor vier Jahren deutlich höher. Allerdings klagten mehr Betriebe als früher über mangelnde Disziplin und Belastbarkeit.

31 Prozent der Betriebe nutzten sogenannte ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH), von der Arbeitsagentur finanzierte Stützkurse für notenschwache Jugendliche. Die Zahl dieser Kurse sinkt.

Das Gerücht über die wachsende Schar lernschwacher Jugendlicher wird durch die Umfrage also nicht gestützt. Sybille von Obernitz, Bildungsexpertin des DIHK, gab allerdings zu bedenken, dass die Anforderungen der Unternehmen steigen. Einfache Bürotätigkeiten, die früher zu jedem Sekretariat gehörten, fallen heute weg. Automechaniker müssen umfangreiche Computerkenntnisse haben, Baufachleute rechnerisch gut sein.

Vor allem der demografische Wandel aber verschärft die Bewerberlage. So sinkt die Zahl der Schulabgänger im Jahr 2010 voraussichtlich um 3 Prozent, das sind 25.000 Jugendliche, erklärte Wansleben. Selbst in Stuttgart beispielsweise seien im Ausbildungsjahr 2009 bei der örtlichen Arbeitsagentur nur noch 5.200 Lehrstellenbewerber registriert gewesen, 2004 waren es noch 7.200 junge Leute.

Viele Unternehmen wollen aber keine Kompromisse schließen: 36 Prozent der Unternehmen gaben an, dass für sie die Besetzung von Ausbildungsplätzen mit lernschwächeren Jugendlichen nicht infrage kommt. Eher kompromisslos zeigten sich dabei Banken, Versicherungen und der IT/Medienbereich. Gast- und Baugewerbe hingegen wollten auch lernschwächeren Jugendlichen häufiger eine Chance geben.

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13 Kommentare

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  • A
    ast61

    also, in der Firma, in der ich arbeite, haben wir auch Lehrlinge.

    Die sind allesamt ziemlich fit in allem.

    Vielleicht eine Ausnahme.

     

    Wenn ich aber heute auf der Strasse so manchen Jugendlichen reden höre und mir dann auch antue, was die sich heute so im TV angucken(MÜSSEN), ist mir schon klar, warum die 2. Generation Doof auf den Arbeitsmarkt rückt.

     

    Von manchen Eltern ganz zu schweigen:-(

  • L
    Lincoln

    @Burdack

    Problem der Arbeitgeber? Haben Sie einmal Jugendliche ausgebildet? Ich schon, und ich kann nur eins sagen, in Mathematik fehlt vielen Azubis der Sinn für die Grundrechenarten (ohne Taschenrechner geht nichts), in Deutsch, nun ja man schweige, die Berichte für die Berichtshefte meistens grauenvoll, Niveau von 4. Klässlern und das soll ein Problem der Arbeitgeber sein?

    Nehmen Sie mal einen Nachdruck eines Buches für die Ausbildung von Handwerksmeistern aus der Zeit um 1900 in die Hand. Etwa ein Drittel ist Mathematik und zwar vom Feinsten (Algebra, Logarithmen ,alles ohne Taschenrechner) und diejenigen die sich mit diesen Büchern beschäftigt haben, hatten nur einen Hauptschulabschluß. Wo haben Sie denn das Verständnis für diese Materie vermittelt bekommen? Bestimmt nicht in ihrer Gesellenzeit, sondern in der Schule. Ist es da von den Azubis zu viel verlangt, dass sie in Mathe und Deutsch wenigstens ein gewisses Grundwissen mitbringen? Ich glaube nein, aber in der heutigen Spaßgesellschaft legt man eher wohl den Schwerpunkt auf hippe Handys, Klamotten und nicht auf die Frage, wie kann ich das Geld dafür verdienen (gibt ja Hartz4).

  • B
    Burdak

    Das Problem sehe ich nicht so. Es ist vielmehr ein Problem bei den von den Arbeitgebern gemachten Vorgaben und die Unlust sich mit den Bewerbern zu unterhalten. Viele Bewerber werden doch gar nicht mehr zur Vorstellung eingeladen und die Bereitschaft zur Ausbildung in den Betrieben hat sehr stark nachgelassen. In unserer Branche jammert jeder, aber ausbilden will niemand. Man kann besser über Greencards Facharbeiter einfordern als selbst etwas für die Zukunft seines Unternehmens zu in die Ausbildung zu investieren. Wir selbst bilden seit Jahren aus und der Nachwuchs wird meistens weiter beschäftigt. Doch Wettbewerber haben daran kein Interesse, diese versuchen vielmehr qualifizierte Mitarbeiter abzuwerben. Hier liegt das Problem Die Arbeitgeber müssen sich einmal die Entwicklung ihres eigenen Betriebes vor Augen halten. Nur die gut ausgebildeten Arbeitnehmer bringen Umsatz und sorgen so für die Zukunft des Unternehmens. Die momentane Situation immer billigere Arbeitskräfte einkaufen zu wollen und selbst nichts für die Ausbildung des Nachwuchses zu tun ist schlichtweg zum Kotzen. Denkt an eure Betriebe und kommt endlich der Verpflichtung nach den Nachwuchs zu fördern. Verzichtet auf ein klein wenig Profit für die eigene Tasche. Unsere Politker haben diesen Weg doch erst ermöglicht.

  • C
    Chekkerin

    ...was aber sicherlich zu allen anderen Argumenten eine Rolle spielt und nicht übersehen werden sollte: diese Jugendlichen sind, wie auch die Studenten und jungen Akademiker, Ergebnisse der verschiedensten bundesdeutschen Bildungsoffensiven.

    Wundere sich niemand über die Ergebnisse. Diese sind, wie angedeutet, ja auch bei anderen jungen Erwachsenen zu beobachten, nicht nur bei den Hauptschülern.Bildungspolitik dient hierzulande dazu, sich, die im Bundesland jeweils aktuelle Regierung, seine Partei oder Interessengruppe zu profilieren.

    Auf dem Rücken der Kinder.

    Als oberflächlichstes Beispiel erwähne ich nur die sogen. Rechtschreibreform.

  • DL
    Dr. Ludwig Paul Häußner

    Neue Wege beruflicher Qualifizierung

     

     

    Die berufliche Bildung krankt institutionell schon seit Mitte der 1970er Jahre. Die Zeiten in denen man nach der Schule schon alles wusste oder gar nach der Lehre schon "ausgelernt" hatte sind längst vorbei!

     

    Das vom Wirtschaftsverband DIHK hoch gelobte Duale System wird auch von den Unternehmen ausgehölt, weil sie lebenslanges Lernen nicht als eine unternehmerische Kernaufgabe auffassen.

     

    Überdies hat die berufliche Bildung in der ganzen Diskussion um das total veraltete "dreigliedrige Schulwesen" einen geringeren Stellenwert. Die berufliche Bildung gilt als zweitrangig.

     

    Wir brauchen deshalb institutionelle, strukturelle, prozessuale, methodische und inhaltliche Neuerungen, z. B. berufliche Vollzeitschulen, sechsjährige Grundschulen und darauf aufbauend zwei Säulen: die traditionelle gymnasiale und die innovative Kolleg-Schule, die allgemeinbildend, profilbildend und berufsbildend ist. Beide Säulen ermöglichen den Zugang zum (berufsbegleitenden) Studium und zum lebenslangen Lernen.

     

    Hierzu sei auf die jüngsten Publikationen von Georg Rothe, Universität Kalsruhe (TH) verwiesen:

     

    Berufliche Bildung in Deutschland (2008)

     

    http://digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/1000008807

     

    und Neue Wege beruflicher Qualifizierung (2010)

     

    http://digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/1000013605

     

    sowie "Ausbildung und Mitarbeiterentwicklung als unternehmerische Kernaufgaben"

     

    http://www.iep.uni-karlsruhe.de/download/Beitrag_Haeussner_aus_Rothe_Bd14_gesamt_300708.pdf

     

    Dr. Ludwig Paul Häußner, Karlsruhe

    www.unternimm-die-schule.de

  • R
    Rod

    Dieses Gejammer ist nicht mehr nachvollziehbar.

     

    Lehrlinge werden doch heute nur noch eingestellt um staatliche Förderungen abzustauben. Wenn sie ausgelernt haben wirft man sie raus und sucht die nächsten Lehrlinge.

     

    Oder kann mir von den Herren einmal jemand erklären, warum so viele ausgelernte Facharbeiter, oft komplette Jahrgänge, nach der Lehre arbeitslos werden? Dann müssen sie ohne andere Alternative ihre Karriere mit Hartz IV beginnen oder sie fristen ihr Dasein in einem Callcenter bei einer stupiden Hotline-Tätigkeit.

     

    Den Firmen geht es doch garnicht darum Mitarbeiter ernsthaft einzustellen. Die wollen nur billig und staatliche Förderungen erschleichen wo es nur geht. Und da müssen Lehrlinge und Praktikanten den Kopf hinhalten. Das ist alles.

     

    Und dieses Gejammer von wegen fehlenden Qualifikationen kommt nur daher, dass sie irgend einen Grund suchen um nichts oder wenig zahlen zu müssen.

  • P
    Phillip

    Demographischer Wandel? Das die Deutschen immer weniger Kinder kriegen ist ja allgemein bekannt. Aber auch das andere Kulturkreise dafür umso mehr kriegen ebenso. Die verringerte Zahl der Schulabgänger liegt eher an den ganzen Schulabbrechern, als am Mangel an Jugendlichen. Und selbst bei weniger Schulabschlüssen sollte das nicht problematisch sein, denn seit Jahrzehnten wird der Arbeitsplatzbedarf rationalisiert und eh weniger.

     

    Aber wer mit heutigen Jugendlichen zusammengearbeitet hat - und das habe ich - wird bezeugen können, dass diese in der Regel immer fauler und dümmer erscheinen. Ob sie nun wirklich dümmer sind, oder einfach viel lustgesteuerter sind und daher ihr Hirn einfach nicht einschalten wollen, kann allerdings nicht gesagt, aber sehr wohl vermutet werden.

    Um sie aber gleich in Schutz zu nehmen: woher soll die Jugend von Heute auch wissen, dass ohne Fleiss kein Preis gilt, wenn die Eltern auf Hartz4 sitzen und nichts leisten müssen und im anderen Extrem Kinder alles in den Po geschoben kriegen?

  • F
    Fritz

    Vielleicht haben die Firmen auch einfach ihre Anforderungen herunter geschraubt und haben daher weniger auszusetzen?

     

    Es ist teilweise wirklich erschreckend mit wie wenig Bildung die jungen Leute aus der Schule kommen. Da kann man schon vermute, die hätten nur geschlafen. Liegt aber auch viel oder sehr viel am Elternhaus.

     

    Wie auch immer, das böse Erwachen kommt für die Jugendlichen später und dann wünschten sie sich bessere Chancen zu haben. Tja...aber Schule ist ja doof...ne?!

  • JK
    Juergen K

    Die Grossindustrie und der von Westerwelle am Hintern gestreichelte Mittelstand werden es noch so weit treiben, dass endlich 1-Euro-Jobber eingestellt werden.

     

    Nämlich dann, wenn der geschasste Mitarbeiter nach 12 Monaten Hartz4 wieder zu Kreuze kriecht,

    willig wie in den Internaten die Schwänze und so der geschlechtsspezifische Wandel stattfindez die Mösen lutscht oder den Anus bereitstellt.

     

    Denn so hat das vmental versiffte Kroppzeuch es kennen gelernt:

     

    Die Wirtschaft brauch Billig-Männer um sie mal richtig durchzuficken.

     

    Denn Lehrlinge und Praktikanten bringen es nicht.

     

    So sieht die Masche aus.

  • A
    anke

    Na endlich! Das wurde ja auch Zeit! Vielleicht begreift die sogenannte Wirtschaft ja eines schönen Tages doch noch, dass ihre Beschäftigten nicht nur ein Kostenfaktor sondern auch eine wertvolle weil knappe Ressource sind. Man kann nur hoffen, dass demnächst auch bei den bis dato nachfrageverwöhnten IT-, Medien-, Versicherungs- und Bankarbeitgebern der Groschen fällt: Es hilft einem auf Dauer gar nichts, wenn man dem Staat Milliarden abschwatzt, wenn der nachher den Nachwuchs nicht mehr ordentlich ausbilden kann. Geld alleine vermehrt sich einfach nicht.

  • ST
    Simple Tatsache

    "[...] sich daher öfter auch mit "schwächeren Schulabgängern" konfrontiert sehen?"

     

    Sie können für die Phrase "schwächere Schulabgänger" ruhig den korrekten und landesweit üblichen Begriff wählen: "türkische, albanische und arabisch-stämmige Migrantenkinder".

     

    Da diese immer mehr werden, ist es tatsächlich so, dass die nachwachsenden Menschen in unserem Land immer dümmer werden.

     

    Diese simple Wahrheit wird von taz-lingen zwar nicht gerne gehört/ gelesen - unwahrer wird die Wahrheit deswegen aber nicht.

  • S
    systemix

    Das Geseire der Arbeitgeberlobbyisten ist reine Volksverdummung. In der Stadt Salzgitter bekommt seit mehreren Jahren nur jeder achte Schulabgänger einen Ausbildungsplatz. Der Rest wird in weiteren Schulungsmaßnahmen, dubiosen Qualifizierungen beschäftigt. Die Hetze der Arbeitgeber dient nur dem einzigen Ziel eine mögliche Ausbildungsplatzabgabe zu verhindern. Die gesteuerten Massenmedien beten dies devot nach. Die Wahrheit wird unterdrückt.

     

    Wer das nicht glaubt , kann das im offiziellen Ausbildungsbericht der Stadt Salzgitter nachlesen.

  • T
    TOM

    Na dann sucht doch eure Eliteschüler weiter und bildet nicht aus. In paar Jahren wird dann wieder über fehlende Fachkräfte geklagt und die Green Card für alles mögliche verlangt.

     

    Oder man akzeptiert einfach das der Mensch kein Computer ist der Einwandfrei zu funktionieren hat, sondern auch viele Fehler hat und besonders bei jüngeren. Wer das nicht versteht, wird bald der erste beim Klagen sein