: Bewährte Blindfischmanier, Knalltüten und Papperlapappismus
■ Alle reden immer von „Streitkultur“, aber sammeln doch nur Solidaritätsadressen
Alice Schwarzer ist nicht sakrosankt. Viele, die sich vor zehn oder zwanzig Jahren noch mit ihrer Radikalität dicketaten und damit durchkamen, haben sich längst als heißgefüllte Knalltüten entpuppt. Franz Xaver Kroetz (“Furcht und Elend der BRD“) geht heute mit unsäglichen Fickgedichten hausieren, die Frauenbewegungs-Heroine Karin Struck hat inzwischen Pamphlete gegen die Abtreibung geschrieben und Talkshowgäste übermütig mit Wein begossen, und Alice Schwarzer brummkreiselt, Seite an Seite mit Sepp Maier, in gurkendummen Quiz- und Rateshows über den Bildschirm, um sich gleich danach in ihrer Hauspostille wieder als ernstzunehmender Mensch in Szene zu setzen.
Hintergrundwissen oder Klatsch?
Wer sich ein Urteil über Alice Schwarzer bilden will, ist auf Hintergrundwissen nicht angewiesen; alle zwei Monate erscheint Emma mit einer wilden Mischung aus Fundamentalismus, Denunziationen und neckischem redaktionellem Privatklatsch. Die Lektüre genügt.
Auf Bascha Mikas Kritik ist in bewährter Blindfischmanier reagiert worden, mit Unterschriftenlisten und z.T. handgekrakelten Briefen. Merkwürdigerweise ist fast nie ein Laptop oder wenigstens eine Schreibmaschine in Reichweite, wenn irgendwo die Empörung anschwillt. Und je mehr Unterschriften ein Brief aufweise, desto glaubwürdiger seien die darin aufgeführten Thesen – diesem Piepmatzglauben hängen Franziska Becker, Marianne Saul, Margitta Hösel, Monika Glöcklhofer, Cornelia Filter, Bettina Flitner, Barbara Frank, Isis Fries, Antje Görnig und Chantal Louis an, ohne zu merken, daß ihre Einwände so lächerlich sind wie Zwischenrufe (“Hört, hört!“ beziehungsweise „Frechheit!“) oder Randnotizen in Büchern (“Sehr richtig!“ beziehungsweise „Papperlapapp!“).
Weil sie es nicht merken und weil es zum guten Ton unter wütenden Zwischenruferinnen gehört, die für Argumente wenig Zeit haben, heißt es dann in den eingegangenen Briefen eben auch: „Schämt Euch!“ Und es ist von „Schmierenjournalismus“, „Diffamation“, „Menschenverachtung“, „Schwachsinn“ und „Frauenhaß“ die Rede. Bascha Mika, wird erzürnt behauptet, habe eine „Bankrotterklärung zusammengeschmiert“, und eine Leserin läßt drohend wissen, daß ihr Abo „am seidenen Faden“ hänge.
Den beißt die Maus hoffentlich bald ab.
„Wir, ein hedonistisches Lesbenpaar, leisten uns weiterhin beide Abos: taz und Emma!“ meldet, ohne danach gefragt worden zu sein, aber sichtlich stolz, das hedonistische Lesbenpaar „Manuela Torelli und Lebensgefährtin, München“, als sei das ein Argument, und Dr. Reinhold Neven Du Mont informiert die Republik in seinem Protestschreiben darüber, daß er mit Alice Schwarzer bereits erfolgreich „gegessen, getrunken und gefeiert“ habe. Das ist schön für ihn, widerlegt aber nichts.
Andere bemühen Vergleiche mit nationalsozialistischen Methoden. Seit Bärbel Bohley sich mit einem Juden im Viehwaggon verglichen hat und 100.000 Mark Schmerzensgeld dafür haben will, daß sie vom Eulenspiegel in einer Fotomontage beim Sex mit Helmut Kohl dargestellt wurde, ist auch das erlaubt.
Überall wird nach „Streitkultur“ gekräht. Macht jemand ernst mit dem Streit, werden pikiert Unterschriften dagegen gesammelt, oder es wird das Wort „Menschenverachtung“ ausgestoßen, in der kindischen Hoffnung, damit sei die Diskussion beendet.
Papperlapapp.
Gerhard Henschel
Foto: Christel Becker- Rau
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