Bettina Wulff und Google: Der Konzern und die Killerin
Teilsieg für Bettina Wulff: Google löscht einige Suchergebnisse zur ehemaligen Präsidentengattin. Das wird ihr jedoch kaum Ruhe verschaffen.
BERLIN taz | Bettina Wulffs Kampf um Suchvorschläge und Suchergebnisse geht in eine neue Runde: nun hat die ehemalige First Lady einen Etappensieg gegen den Suchmaschinenkonzern Google errungen – in der Hauptsache bleibt alles offen. Nur Google muss sich unbequeme Fragen gefallen lassen.
Wulff kämpft gegen einen nur anscheinend übermächtigen Riesen: Sie will erreichen, dass Google künftig bestimmte automatische Suchanfrage-Ergänzungen nicht mehr anzeigen darf, es geht ihr um 85 verschiedene Begriffskombinationen. Auch einige Verweise aus den Suchergebnislisten würde Wulff gern getilgt sehen. Bei Letzterem kann sie einen kleinen Erfolg verzeichnen: Google schmiss wenige Treffer aus seinen Suchergebnissen, die vom Konzern offenbar als rechtswidrig eingestuft wurden. Google kann also, wenn es will.
Allerdings, das betont der Konzern, habe der Löschvorgang nichts mit dem laufenden Verfahren zu tun. Gegen 51 Adressen richtet sich das derzeit noch außergerichtliche Vorgehen der First Lady – derzeit kommunizieren die Anwälte Wulffs mit Googles Rechtsabteilung. Darunter sind Webseiten wie die der Wochenzeitung Der Freitag und das Blog odem.org des Internetzensur-Gegners Alvar Freude. Der hatte sich in einem Text kritisch mit zwei Artikeln beschäftigt, die Bettina Wulffs Löschanliegen bejubelten und das Internet als anonymen Hort der Verdammnis qualifizierten.
Dabei hat Freude keineswegs behauptet, dass Bettina Wulff eine Rotlichtvergangenheit gehabt habe. Deshalb scheint es absurd, wenn Google Suchtreffer entfernen soll, die sich überhaupt nicht im Kern mit dem beschäftigen, worum es Bettina Wulff geht – sondern mit Medienkritik. Freude schrieb damals: „Beweise oder eindeutige Hinweise gibt es bisher nicht, daher klingt das unter dem Strich nicht wirklich glaubwürdig.“
Berichterstattung versuchen zu zensieren
Der Mitbegründer des Arbeitskreis gegen Zensur im Internet sagt: „Sollte Google die Verlinkung entfernen, würde ich mir natürlich überlegen, dagegen vorzugehen.“ Und: „Das geht so nicht. Das wäre der Versuch, jegliche Berichterstattung über ein Thema zu zensieren. Man muss sich mit einem Thema doch auseinandersetzen und darüber berichten können.“
Google ist in einer überaus unbequemen Situation. Auf der einen Seite ist die Firma selbst in der Vermittlerrolle, leitet Nutzer über ihre eigenen Suchbegriffe zu Ergebnislisten und damit zu nicht von Google kontrollierbaren Webseiten weiter. Dass hierfür erst einmal keine Haftung besteht, ist allgemein akzeptiert, da es auch nicht praktikabel wäre. Zugleich aber wertet Google selbst für die Autovervollständigung seiner Suchergebnisse das Verhalten seiner Nutzer aus und generiert dabei neue Inhalte. In manchen Bereichen filtert Google diese zwar, nämlich dann, wenn es um das eigene Anzeigengeschäft geht. Doch sonst gibt man sich neutral.
Gewinnen kann derzeit offenbar niemand so recht. Vielmehr scheint es so, als ob der heutige Bundesumweltminister Peter Altmaier im Nachhinein noch recht behalten sollte: als Wulff seine Rechtsbeistände gegen unliebsame Presseberichterstattung losschickte, twitterte er im Januar: „Wünsche mir, dass Christian seine Anwälte an die Leine legt.“
Das gilt auch heute. Einen Bärendienst haben sich die Wulffs mit ihrem Vorgehen schon heute erwiesen. Selbst wenn es irgendwann nicht mehr auf Google zu finden sein sollte, das seltsame Gebaren der Familie aus Großburgwedel wird sich durch ihr eigenes Zutun tiefer im Gedächtnis eingebrannt haben, als es die Suchvorschläge jemals hätten tun können.
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