piwik no script img

Betrugsprozess gegen Andreas PollakEnfant terrible vor Gericht

Dem suspendierten Arzt und Ex-Grünen Andreas Pollak wird der Betrugsprozess gemacht. Das könnte auch für Grünen-Parteichef Ulrich unangenehm werden.

Hubert Ulrich soll angeblich "Der Arsch auf Grundeis gehen", wenn heraus kommt, wie er und Pollak die Grünen Saar jahrelang "am Nasenring" vorgeführt hätten. Bild: dpa

Vor der 4. Strafkammer am Landgericht (LG) Saarbrücken ist das Mammutverfahren gegen den Allgemeinmediziner Dr. Andreas Pollak angelaufen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Landtagsabgeordneten der Grünen Saar "Betrug, versuchten Betrug und Untreue in 148 Fällen" vor. Der 50-jährige Arzt soll Krankenkassen mit der Abrechnung von nicht erbrachten Leistungen und mit fingierten Rezepten um knapp 1 Million Euro "erleichtert" haben.

Am letzten Donnerstag, dem fünften Verhandlungstag, wiederrief der Zeuge Christian E. - zur Überraschung von Staatsanwaltschaft und Kammer - seine bei der Polizei gemachte Aussage fast vollständig. Hatte der Zeuge noch vor gut vier Jahren zu Protokoll gegeben, dass er wegen Schmerzen in den Nieren und der Leber in die Saarbrücker Praxis von Pollak gekommen sei, glaubt er heute zu wissen, dass er den Arzt "nur wegen einer Grippe" aufgesucht habe. So ganz beiläufig merkte E. dann auch an, dass er von einem Polizeibeamten zu einer Aussage zum Nachteil von Pollak "geradezu gedrängt worden" sei.

Da spitzten dann nicht nur die beiden Verteidiger des Mannes, der lange als "Enfant terrible" der Grünen Saar galt, weil er - bereits vorbestraft - als Landtagsabgeordneter Ende der 1990er-Jahre in einem Baumarkt Badematten geklaut hatte, die Ohren. Der Zeuge E. jedenfalls wurde vom Gericht für den nächsten Verhandlungstag (4. März) erneut einbestellt - und der Vernehmungsbeamte gleich mit.

Schon der Zeuge vor E. war für die Anklagebehörde eine einzige Enttäuschung. Der aus Russland stammende ehemalige drogenabhängige Stephan A. konnte sich an seine polizeiliche Vernehmung überhaupt nicht mehr erinnern. Weil er wegen mangelhafter Sprachkenntnisse und Nuschelns ohnehin kaum zu verstehen war, kam seine Befragung durch den Kammervorsitzenden einem Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verhandlung gleich.

Der Angeklagte, dessen Ehefrau Barbara Spaniol nach ihrem Wechsel von den Grünen zur Linken 2007 für die Partei von Oskar Lafontaine im Landtag des Saarlandes sitzt, blieb denn auch gelassen. Da müsse man "jetzt halt durch", sagte er in einer Verhandlungspause der taz lakonisch.

Weil seit der letzten Landtagswahl auch der "Praxismanager" von Pollak, Ralf Georgi, auf dem Ticket der Linken in den Landtag einzog, schrillten bei den Grünen Saar schon gleich nach dem Urnengang Ende August alle Alarmglocken. Der grüne Parteichef Hubert Ulrich jedenfalls begründete seine Abneigung gegen eine Koalition mit der Linken und der SPD letztendlich damit, dass Spaniol und Georgi Mandatsträger seien, die von dem mutmaßlichen Betrüger Pollak "fremdgesteuert" würden. Und dass mit solchen Leuten kein Staat zu machen sei.

Ein Prozessbeobachter glaubt zu wissen, dass dem grünen Parteichef Ulrich jetzt dennoch "der Arsch auf Grundeis" gehe, weil der aktuell parteilose Pollak - sollte er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden - wohl bald "auspacken" und berichten werde, mit welchen "Tricks" er und Ulrich die Grünen Saar jahrelang "am Nasenring" vorgeführt hätten. Tatsächlich kursieren an der Saar immer mal wieder - unbewiesene - Gerüchte über gefälschte Mitgliederzahlen in den grünen Ortsvereinen Saarlouis (Ulrich) und Homburg (Pollak). Ulrich bestritt das immer. Pollak schweigt dazu - wer weiß, wie lange noch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!