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Betroffene fragen

Betr.: „Schwerhörige nicht unter sich“, taz hamburg vom 2. März 2000

Ich selbst bin schwerhörig und das von Geburt an und kann mich mit diesem Zeitungsartikel überhaupt nicht anfreunden.

Warum müssen immer Eltern und LehrerInnen über unsere Zukunft hinweg entscheiden. Warum fragt man/frau nicht mal betroffene Schwerhörige, wie sie es gerne hätten. Mit Gehörlosen, oder mit Gehörlosen und Guthördenen gemeinsam eine Schule besuchen und gemeinsam aufwachsen. Das wäre für das soziale Lernen ein wichtiger Grundstein. Respekt zu den Gehörlösen und Respekt zu den Schwerhörigen aufbauen und sie nehmen, wie sie sind.

(...) Ich selbst habe eine Schule für Gehörlose und Schwerhörige besucht, und ich muss sagen, dass ich damit sehr gut zurecht kam. Auch habe ich von den Gehörlosen viel gelernt, wie auch die Gebärdenzeichen. (...) Natürlich appelliere ich dafür, dass die Unterrichtsstunden getrennt werden müssen. (...) Aber das heißt noch lange nicht, das man/frau Gehörlose und Schwerhörige trennen muss. Denn schließlich sind wir alle hörbehindert, oder sind Schwerhörige mit der besseren Hörgerätetechnik auf einmal guthörend? Ich nicht, trotz guter Hörgeräteversorgung bin ich zum Beispiel auf GebärdensprachdolmetscherInnen im Studium angewiesen. (...)

Der Zeitungsartikel zeigt mir auch, dass für die Eltern und für die LehrerInnen immer nur Sprechen und Hören wichtig sind, aber wo bleibt die entspannte Kommunikation? Entspannte Kommunikation wärend des Lernens, damit die SchülerInnen Spaß am Lernen haben und am Nachmittag nach der Schule immer noch kommunikationsbereit sind. Denn den ganzen Tag nur hören und sprechen müssen für die Guthörenden ist auch irgendwo ein Unding. Wo bleiben denn da die Rechte der Schwerhörigen, die mit lautsprachbegleitenden Gebärden viel entspannter kommunizieren können und würden?

Ich appelliere und kämpfe gemeinsam mit der Bundesjugend des Deutschen Schwerhörigenbundes seit Jahren für die lautsprachbegleidenden Gebärden im Unterricht. Aber auf uns hört man/frau leider oft nicht. Obwohl wir mit unseren Erfahrungen, die wir selbst erlebt haben, den Eltern mitteilen möchten, wie das war und ist, mit einer Hörbehinderung aufzuwachsen und damit zu leben. (...) War der Wunsch vieler Eltern und LehrerInnen doch nicht der Wunsch auch ihrer Kinder, oder? Wenn die Schulsenatorin Rosemarie Raab eine kritische Prüfung durchführen sollte, dann ist sie gut beraten auch Betroffene anzusprechen und sie anhören zun lassen, denn schließlich geht ja um die Zukunft der Schwerhörigen. Ines Helke

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