Betriebsräte-Fortbildung: Totentanz in der Bundesschule
Der DGB schließt ein renommiertes Tagungszentrum und kündigt 20 MitarbeiterInnen. "Ein Skandal", finden 4.000 GewerkschafterInnen.
HAMBURG taz | Der Vorstand im fernen Düsseldorf macht ernst: Das Tagungszentrum Sasel im idyllischen Norden Hamburgs wird Ende des Jahres geschlossen. Damit schließt das Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) nicht nur dessen bundesweit renommierteste Bildungsstätte und setzt 40 Mitarbeiter vor die Tür. Sondern der Gewerkschaftsbund zieht sich mittelfristig aus der qualifizierten Betriebsräte-Qualifizierung zurück. "Ein Skandal", wie 4.000 GewerkschafterInnen per Unterschrift dem "Förderkreis Sasel" bekunden.
Die Bundesschule Sasel war der Tipp unter gewerkschaftlichen Betriebsräten, wenn es um Schulungen im Arbeits- und Sozialrecht sowie Betriebswirtschaft und Unternehmenspolitik gehen sollte. 140 Seminare waren dieses Jahr auf dem Programm. Sogar die Frankfurter IG Metall-Zentrale führte ihr "Trainee-Programm" - die Ausbildung der Nachwuchssekretäre - in Sasel durch, um sich die Kompetenz zu Nutze zu machen.
Ende vorigen Jahres verkündete plötzlich das Bildungswerk - ohne die Betriebsräte zuvor in Erwägungen einzubeziehen - Sasel angeblich aus Kostengründen zu schließen und die 40 MitarbeiterInnen zu kündigen: Eine Million Euro müsse eingespart werden, der Verpächter wolle die Miete erhöhen. Viele Gewerkschafter witterten hinter der Maßnahme der DGB-Bosse jedoch eine politische Entscheidung - und werden jetzt bestätigt.
In den Interessenausgleich-Verhandlungen zwischen Gesamtbetriebsrat, Geschäftsführung unter Federführung des Erfurter Bundesarbeitsrichter Waldemar Reinfelder als Einigungsstellen-Vorsitzender stellte sich heraus, dass Sasel betriebswirtschaftlich mit den normalen DGB-Zuschüssen weitergeführt werden könnte und eine wirtschaftliche Notlage nicht vorliegt. "Der Einigungsstellen-Vorsitzende teilte uns plötzlich mit, dass der DGB die politische Entscheidung getroffen habe, Sasel zu schließen", sagt Betriebsratsanwalt Jens Gäbert. Selbst ein Minimal-Kompromiss, die Schließung vorerst um ein Jahr zu verschieben, ist einem Telefonat mit Ingrid Sehrbrock, zuständig im DGB-Bundesvorstand für Bildungspolitik und Vorstandsvorsitzende des DGB-Bildungswerkes, abgelehnt worden.
Um den Anschein zu wahren, sich nicht ganz aus der Betriebsräte-Qualifizierung zu verabschieden, soll ein Teil des Seminar-Angebots in das Hamburger DGB-Haus verlagert werden. Dort möchte das Bildungswerk Räume als Verwaltungsstandort und zur Durchführung von Seminaren für 220.000 Euro pro Jahr von der DGB-eigenen Vermögensverwaltung VTG anmieten, die eigentlich zur Fremdvermietung vorgesehen sind, aber zurzeit leer stehen. Räumlich getrennt soll die Hotelunterbringung im benachbarten Jungen Hotel erfolgen, also eine Variante, die Bildungswerk-Geschäftsführer Dieter Eich noch im November unter Androhung gerichtlicher Schritte gegen die taz vehement bestritten hat.
Hamburgs DGB-Chef Uwe Grund, Befürworter des Erhalts von Sasel, findet das DGB-Vorgehen bedauerlich. "Wir sind nicht informiert worden, unsere Meinung war nicht gefragt", kritisiert Grund. "Das ist alles in den Zentralen beschlossen worden." Dass Seminar-Kapazitäten nun in sein Haus verlagert werden sollen, sieht Grund mit gemischten Gefühlen. "Es ist nicht die schlimmste Lösung, es hätte schlimmer kommen können." Doch selbst jetzt werde er noch von der DGB-Zentrale ausgegrenzt. "Ich telefoniere gerade hinterher, wie das praktisch aussehen soll", sagt Grund.
In Sasel herrscht indes Totentanz-Stimmung. "20 Kündigungen sind ausgesprochen worden", sagt die Betriebsratsvorsitzende Bettina Saß. "Da laufen jetzt die Kündigungsschutzklagen. Sieben befristete Verträge werden nicht verlängert." Sie selbst solle zum August ins Bildungszentrum Hattingen versetzt werden, 20 weitere Mitarbeiter sollen in das DGB-Haus verlagert werden.
Die Sozialplanverhandlungen haben zwar noch nicht begonnen, aber schon jetzt hat die Geschäftsführung des Bildungswerks signalisiert, was sie von sozialverträglich hält. "Nach der Formel erhält ein 45-jähriger Mitarbeiter gerade einmal 0,5 Brutto-Monatsentgelt pro Beschäftigungsjahr als Abfindung", sagt Gesamt-Betriebsrätin Altun Jenner. "Wie ein normaler Arbeitgeber - nur schlimmer", sagt Anwalt Gäbert. "Zu dem gewerkschaftspolitischen Skandal der Schließung des Tagungszentrums", so Jenner, "kommt also noch der sozialpolitische Skandal, dass Mitarbeiter mit einem Hungerlohn abgefunden werden sollen."
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