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Betr.: "Tötungsverbot und Wert des Lebens", taz vom 2.10.93, LeserInnenbriefe dazu, taz vom 14.10.93

[...] Eine Auseinandersetzung mit Grenzsituationen des Lebens, wie es auch schwere, schwerste Behinderungen und Schmerzen sein können, kann nicht die Frage aussparen, ob es wert ist, dieses Leben weiter- oder eben auch überhaupt erst anzulaufen zu leben. Wert im Sinne von: der eventuell übermenschlichen Mühe und Anstrengung wert.

Das Thema macht angst, und zwar um so mehr angst, je dünner die Schicht des funktionierenden Abwehrmechanismus ist – verständlich der Aufschrei bei vielen behinderten Menschen. Es ist eine Möglichkeit, das angstbesetzte Thema zu tabuisieren und damit all die allein zu lassen, die, egal aus welchen Gründen, in der Abwägung von Mühe und Wert ein negatives Urteil fällen müssen.

Wir sollten nach Holland sehen, wo in diesen Fragen weitergedacht wird, wo der Grenzbereich Leben–Tod nicht ausgespart wird aus den Gedanken der mitten im Leben Stehenden. Die Richtung dieser Gedanken ist die Frage nach den Möglichkeiten der Begleitung, der Hilfe für die aktuell Betroffenen. Ich denke, daß dies ein positiverer Ausdruck von Menschenliebe ist als die kalte Forderung nach Leben zu allen Bedingungen, auch den schlimmsten. Kristina Leicht-Naumann,

Dipl.-Psychologin, schwerbehin-

dert durch Multiple Sklerose

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