piwik no script img

Besuch bei Grüner JugendÖzdemir und die "Schwarzen"-Fresser

Realo trifft Linke: Cem Özdemir auf dem Bundeskongress der Grünen Jugend. Der traditionell linke Parteinachwuchs hasst Schwarz-Grün - der Grünen-Chef in spe sieht das anders.

Özdemir versucht der Jugend zu verklickern, dass mit der Union doch gut Kirschen essen sein kann. Bild: dpa

Cem Özdemir fasst sich kurz - und macht so seinen ersten Sympathiepunkt. "Du bist unter deiner Redezeit geblieben", lobt ihn die Versammlungsleitung des Bundeskongresses der Grünen Jugend (GJ). "Das ist seltsam für einen Bundesvorsitzenden-Kandidaten."

Die etwa 150 Junggrünen im Hörsaal der Universität Potsdam applaudieren belustigt. Zwei Wochen vor seiner Wahl zum Grünen-Chef ist Özdemir zum Kennenlernbesuch beim Parteinachwuchs vorbeigekommen.

Den traditionell linken Nachwuchs interessieren am Realo Özdemir vor allem dessen Positionen zu Schwarz-Grün und zu Kohlekraftwerken - beides ist der grünen Jugend verhasst. "Wir wollen auf Bundesebene keine schwarz-grüne Koalition, und wir wollen auch keinen Wahlkampf dafür machen", sagt die auf dem Kongress wiedergewählte GJ-Bundessprecherin Kathrin Henneberger. Diese Meinung zieht sich von Freitag bis Sonntag durch alle Beiträge und Abstimmungen: keinesfalls mit dieser CDU auf Bundesebene.

Özdemir legt dar, dass er die Dinge differenzierter sieht. Er lobt die Hamburger Grünen: Es sei richtig gewesen, an der Koalition mit der CDU festzuhalten. Er berichtet von guten Erfahrungen mit den "Schwarzen" in seiner Heimat Baden-Württemberg. Er plädiert gegen "Unvereinbarkeitsbeschlüsse". Dann sagt er doch: Schwarz-Grün, das sei 2009 "mit dieser Union, wie sie sich gegenwärtig präsentiert, nicht vorstellbar".

Trotz der verbalen Schlupflöcher, die sich Özdemir bei Schwarz-Grün lässt, scheinen die Junggrünen damit zufrieden. Zweites Aufregerthema: Kohlekraftwerke. Offizielle Parteilinie ist es, erst dann wieder neue Meiler zu bauen, wenn der Traum vom CO2-freien Kraftwerk technisch möglich ist.

Özdemir aber klang jüngst in einem Interview so, als könne er sich Abweichungen vorstellen. Hier haken die Junggrünen ein. "Da gabs ja in der Vergangenheit ein paar unglückliche Äußerungen von dir", sagt Fragestellerin Paula. Wieder antwortet Özdemir differenziert, spricht vom "Fossilsockel", um den man "in absehbarer Zeit nicht herumkommen" werde. Dann sagt er, er sei in der Debatte unvollständig wiedergegeben worden, und verweist auf die eindeutige Beschlusslage der Partei: "Insofern ist die Position da glasklar."

Wieder ist zu spüren, dass Gedankenspiele für ihn mehr Reiz haben als für große Teile seiner Partei. Vor Özdemirs Ankunft hatten die Junggrünen noch einen Antrag beschlossen: Auf dem anstehenden Parteitag in Erfurt schließen sie sich den Parteifreunden an, die eine Klage des Naturschutzverbandes BUND gegen das Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg unterstützen wollen.

Im Schatten dieser Themen steht das eigentliche Kongressthema, die Europapolitik. Acht Monate vor der Europawahl verabschieden die Junggrünen den Leitantrag "Mein, dein, unser Europa". Die Europäische Union müsse sich bei Ökologie, Bürgerrechten und Migrationspolitik "radikal ändern", fordern sie. Der Kongress sei ein "Startsignal für den Europawahlkampf", sagt Henneberger. Man wolle gegenüber der Mutterpartei "sehr selbstbewusst" auftreten, mit Forderungen nach einem Umbau der Agrarsubventionen oder einer EU-weiten CO2-Reduktion von 80 Prozent bis 2040.

Die 21-jährige Henneberger studiert Geografie in Berlin und ist seit Mai Sprecherin der 6.500 Mitglieder starken GJ. Zu ihrem neuen Ko-Sprecher wählten die rund 200 anwesenden Mitglieder am Sonntag den 20-jährigen Max Löffler. Henneberger kündigte "laute zwei Jahre" an - aber auch eine gute Zusammenarbeit mit dem Parteichef in spe Cem Özdemir.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!