Bestellen und Bezahlen: Voll im Trend
Hamburger Soundtrack
von Nils Schuhmacher
Wer die Musik bestellt, solle auch bezahlen, heißt es dieser Tage mit Bezug auf die Schadensregulierung vom G20-Gipfel aus dem Mund der Handelskammer. Das kann man je nach Lust und Laune und politischer Gesinnung in diese oder jene Richtung lesen. Aber was heißt überhaupt „bestellen“? Und welche Musik denn überhaupt?
Zum Beispiel Beethovens Neunte. Wer hat eigentlich dieses „Stück“ für die Weltenlenker vom G20 ausgewählt? Wusste man nicht, dass es sich hier um eine unverhohlene Hommage an die Französische Revolution, also an pure Gewalt, handelt, was den Mann in die Nähe der Roten Flora rückt? Oder Chumbawamba. Zeilen der UK-Anarcho-Popper wie „Nothing ever burns down by itself, every fire needs a little bit of help“ schwebten in den Gipfeltagen durch die Straßen. Damit trägt die Gruppe eine direkte Verantwortung für die Ereignisse. Zumal sie auch bereits in der Flora gespielt hat.
Allerdings ebenso auf dem Alstervergnügen, im Jahr 1997. Und wer war damals Bürgermeister? Die SPD! Nimmt man diese skandalösen Zustände mal zusammen, kann einem angesichts der kommenden Ereignisse nur Angst und Bange werden. Beethoven und Chumbawamba sind zwar aufgelöst, aber andere bestehen fort. Der Handelskammer fallen nun Zitate von gestern (Die Flora ist „mit ihrem morbiden Charme zu einem Imagefaktor für das Viertel geworden“) auf die Füße.
Und Hamburg muss sich auf Bands wie Bad Religion (25. 7., Große Freiheit) und MDC (31. 7., Hafenklang) vorbereiten, die jenen Ungeist von Hass und Rebellion in sich tragen, der doch gerade durch den Schlagermove gebannt wurde. Aus der Reihe tanzt nur der Süden der Stadt. Das „Keine Knete, trotzdem Fete“-Festival (28./29. 7.) in Heimfeld kostet keinen Eintritt. Bestellen und nicht bezahlen – damit liegt man voll im Trend.
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