: Besserer Zauber klingt gut
Charmant-ironisches Bekenntnis zum Glück: „Die Schatzsucher von Venedig“, ein jetzt erstmals veröffentlichter Unterhaltungsroman der Schriftstellerin und Journalistin Ruth Landshoff-Yorck aus den Dreißigerjahren
VON CARSTEN WÜRMANN
„ ‚Sie schwimmen wunderbar, Frl. Zimmermann, Sie müssen wunderbar tanzen.“ – „Ja, ich tanze wunderbar.‘ “ Es gibt Angebote, die kann man nicht ablehnen. 1932 war es, da bot der Ullstein-Verlag Ruth Landshoff-Yorck 40.000 Mark für einen Unterhaltungsroman: ein Spitzenhonorar für die 1904 geborene Schriftstellerin und Journalistin, die bereits mit Anfang zwanzig in der Berliner Boheme- und Intellektuellenszene zu einem Star avancierte. Sie war jung, klug und schön und in der glücklichen Lage, die neuen Möglichkeiten, die die wenigen leidlich stabilen Jahre der Weimarer Republik boten, auch leben zu können.
Wie kaum eine Zweite vereinte sie dabei die ästhetischen und kulturellen Ideale der Zeit. Fotostrecken in Hochglanzmagazinen zeigen sie rauchend mit Hund vor ihrem Cabriolet, mit Hund und Schreibmaschine, braun gebrannt in weißer Sportkleidung, mondän mit Hut oder auch Krawatte, geheimnisvoll mit Maske. Ruth Landshoff war mit dem 25 Jahre älteren Karl Vollmoeller, einem erfolgreichem Theater- und Drehbuchautor, liiert und zeitweilig mit David Yorck zu Wartenburg verheiratet. Sie lebte mit der Freundin Thea Sternheim zusammen, und sie gehörte zum Kreis um Klaus und Erika Mann. Doch sie inszenierte den Stil der „neuen Frau“ nicht nur, sie begann auch, journalistisch über ihn zu berichten und ihn literarisch zu stilisieren.
Auf einer Party erhielt sie 1927 das Angebot, für die Ullstein-Presse Glossen und Reportagen zu schreiben. 1930 erschien bei Rowohlt ihr erster Roman, „Die Vielen und der Eine“, und fand positive Resonanz. Dann die 40.000-Mark-Offerte, woraufhin sie „Die Schatzsucher von Venedig“ lieferte, eine Geschichte über die vielfältigen Verwicklungen einer venezianischen Nacht. Doch bevor die erscheinen konnte, kamen die Nationalsozialisten an die Macht. Landshoff-Yorck emigrierte nach Paris, 1937 in die USA und kehrte bis zu ihrem Tode 1966 nur noch besuchsweise zurück.
An ihre frühen Erfolge konnte sie trotz weiterer Veröffentlichungen in den USA und im Nachkriegsdeutschland nicht mehr anknüpfen. Pünktlich zum 100. Geburtsjahr erscheint nun erstmals dieser Roman, in einer sehr schönen Ausgabe im Berliner AvivA Verlag, versehen mit zeitgenössischen Venedig-Fotografien und einem kundigen Nachwort von Walter Fähnders. Auf einer rauschenden Gesellschaft in einem Palazzo versammelt Landshoff-Yorck das Personal für eine ganze Romanserie: reiche, alte Aristokratinnen, abgedankte Könige, südamerikanische Revolutionäre, deutsche Doktoren, schöne, junge, sorglose Menschen und im Mittelpunkt das Geschwisterpaar Madelin und Jack Zimmermann aus Amerika, Millionenerben auf Europareise.
Zunächst verhalten sich alle genregemäß, machen Bekanntschaft und Konversation. Doch nach wenigen Worten bereits kippt diese ins leicht Abstruse, es entsteht ein ironischer Grundton, den die Erzählinstanz in ihren Parts nach Kräften unterstützt. Ein weißer Hund mit roten Pfoten durchquert den Saal, Madelin bemerkt ihn: „ ‚Dieser Hund […] ist durch Blut gewatet. Irgendwo in diesem Palazzo liegt wohl jemand erschlagen. Tot.‘ – ‚Sie haben einen bezaubernden Mund‘, sagte der Deutsche“, und erst einige Seiten weiter findet diese Merkwürdigkeit ihre ebenso originelle wie unspektakuläre Erklärung.
Stromausfall, geheimnisvolle Radiostimmen, finstere Gestalten, all dies wird verheißungsvoll angedeutet, aber kaum ausgeführt, sondern in einer kurzen Pointe aufgelöst. Stattdessen beschreibt der Roman die lebendige Schönheit einer Stadt, die eben nicht nur aus Geschichte und Mythen von Verfall und Untergang besteht. Das Fest geht weiter, die Nobeltouristen spielen Schatzsuche, jagen unter den missbilligenden Blicken der Einheimischen einer Brosche hinterher, die Geschwister ereilt derweil telefonisch die Nachricht, dass die Familie bankrott ist. Während Jack seine Chancen bei alten Herzoginnen auslotet, versucht Madelin die Brosche, die sie fand und gedankenlos weitergab, wieder zu finden. Der Tag bringt ein Happy End, das durfte man erwarten, aber weder wird geheiratet noch der vorhergehende Zustand wiederhergestellt.
Wie auch immer die vorgesehene Leserschaft diesen spielerischen Umgang mit existenzgefährdenden Verlusten auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise aufgenommen hätte: Von heute aus erscheint das charmant-ironische Bekenntnis zum Glück, das vielleicht in der Zukunft, aber in jedem Fall überall und im eigenen Handeln liegen könnte, als die bessere Unterhaltung – es bleibt eine wunderschöne Illusion.
Ruth Landshoff-Yorck: „Die Schatzsucher von Venedig“. Erstausgabe aus dem Nachlass. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Walter Fähnders. AvivA Verlag, Berlin und Grambin 2004, 166 Seiten, 16,50 Euro