Bespitzelung: ADAC-Betriebsrat lässt nicht locker
Der Betriebsrat des ADAC Niedersachsen will sich nicht mit der Einstellung der Ermittlungen gegen den Geschäftsführer abfinden.
HANNOVER taz | Die Bespitzelungsaffäre beim ADAC Niedersachsen wird ein Fall für die Generalstaatsanwaltschaft in Celle. Zwar hat die Staatsanwaltschaft Hannover die Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Behinderung der Betriebsratsarbeit gegen Niedersachsens ADAC-Geschäftsführer Hans-Henry W. eingestellt. Dagegen will der Betriebsrat aber Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft einreichen, so hat es sein Anwalt Stephan Korb ankündigt. Auch die Gewerkschaft Ver.di prüft derzeit, ob sie gegen die Einstellung des Verfahrens vorgeht. Mitte der Woche endet die Beschwerdefrist.
Im Frühjahr stellte erst der Betriebsrat Strafanzeige gegen Geschäftsführer W., weil dieser jahrelang Mitarbeiter bespitzelt haben soll. Der Anzeige schlossen sich Ver.di und ein ehemaliger ADAC-Pressesprecher an. Auslöser war eine Beschwerde der Ex-IT-Leiterin der ADAC-Geschäftsstelle in Laatzen: Hans-Henry W. soll sie über drei Jahre hinweg angewiesen haben, der Geschäftsführung Zugriff auf Mitarbeiter-Computer zu verschaffen. Sie habe E-Mails des einstigen Sprechers ohne dessen Wissen an die Geschäftsführung weiterleiten und in E-Mails der Betriebsräte nach belastendem Material suchen müssen (taz berichtete).
Der Anfangsverdacht der Behinderung der Betriebsratsarbeit habe sich in allen zwölf Einzelvorwürfen nicht bestätigt, heißt es jetzt allerdings von der Staatsanwaltschaft Hannover. Teils könne dem Geschäftsführer kein Schuldvorwurf gemacht werden, da er auf Anraten seiner Anwälte gehandelt habe, erklärte ein Sprecher. Teils hätten sich die Vorwürfe nicht so dargestellt, wie in den Strafanzeigen angegeben.
Über 90 Verfahren gab es beim Arbeitsgericht Hannover seit 2006 zwischen dem ADAC Niedersachsen und Beschäftigten.
Im September entscheidet das Gericht über die Auflösung des Betriebsrats - auf Antrag der Geschäftsführung.
Anhängig sind zudem eine Kündigungsklage der Ex-IT-Leiterin und Unterlassungsklagen gegen die E-Mail-Durchsuchungen.
2010 zahlte die Geschäftsführung dem Betriebsrat nach einem Vergleich Löhne nach. Die hatte sie monatelang in Teilen einbehalten, weil angeblich zu viel Zeit in die Betriebsratsarbeit floß.
2011 ließ eine Ex-Mitarbeiterin Vorwürfe sexueller Belästigung gegen Geschäftsführer W. in einem Vergleich fallen. Sie hatte nach ihrer Kündigung geklagt.
Das Ausspähen der E-Mails des Ex-Pressesprechers etwa sei nicht zu beanstanden: Die Mails seien für den ADAC bestimmt gewesen und nicht ausschließlich für den Sprecher persönlich. Auch Vorwürfe, dass Mitarbeiter videoüberwacht worden seien, haben sich laut Staatsanwaltschaft nicht bestätigt. Die Kameras in der Laatzener ADAC-Geschäftsstelle hätten sich als Attrappen erwiesen – und das Anbringen von Kameras in allgemeinen Geschäftsräumen sei zur Sicherung des Betriebsablaufs durchaus zulässig, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Zudem sei insgesamt nicht ersichtlich, dass die Maßnahmen die Arbeit des Betriebsrats tatsächlich behindert hätten, erklärte er.
Beim Betriebsrat selbst will man diese Begründung nicht hinnehmen. „Eine Behinderung liegt unseres Erachten schon darin, dass keine Waffengleichheit herrschte“, sagt Anwalt Korb. So hätte sich die Geschäftsführung durch das Ausspähen von E-Mails einzelner Mitarbeiter einen Wissensvorsprung verschafft, mit dem die Mitarbeiter unter Druck gesetzt werden konnten. Auch dem Argument, es bestehe keine Schuld, da Hans-Henry W. nach anwaltlichem Rat gehandelt habe, will Korb nicht folgen. „Das macht eine Sache nicht richtiger“, sagt der Arbeitsrechtler. „Nach unserer Auffassung sind beim ADAC Dinge passiert, die auch auf Anraten eines Anwalts nicht zulässig sind.“
Beim ADAC Niedersachsen reagiert man unterdessen verhalten auf die Einstellung des Verfahrens in Hannover. Nach dem „Freispruch“ stehe man „selbstverständlich“ weiter hinter dem Geschäftsführer, sagte eine Sprecherin auf Nachfrage. Zu Presseberichten, Hans-Henry W. scheide Ende des Jahres für 1,5 Millionen Euro beim niedersächsischen ADAC aus, wollte sie sich allerdings nicht äußern.
Auch die ADAC-Zentrale in München mauert bei Fragen zu ihrem Ableger in Niedersachsen. Noch im Frühjahr hatte sich ADAC-Präsident Peter Meyer, der sonst die Eigenständigkeit der Regionalclubs betont, in die Affäre eingeschaltet und „lückenlose Aufklärung“ gefordert. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, „müssen Konsequenzen folgen“, so Meyer damals. Die Zentrale habe keine Kenntnisse von den Vorgängen in Niedersachsen, erklärte ein Sprecher dagegen jetzt. Auch eine Vorstandssitzung in Laatzen, an der Meyer nebst ADAC-Präsidiumsmitgliedern in der vergangenen Woche teilgenommen haben, mochte er nicht kommentieren.
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