Besorgt gefragt: Süße Zeiten für Panik
■ Hachez-Chef H. Nauck zu Gensoja
In wenigen Wochen wird aus den USA die erste Sojaernte mit einem Anteil genbehandeltes Soja auf den deutschen Markt kommen. Ein wichtiges Sojaprodukt ist Lecithin, das als Bindemittel von Wasser und Fetten bei der Herstellung von Schokoladen verwendet wird. Wir fragten den Geschäftsführer des Bremer Schokaladenherstellers Hachez, Hasso G. Nauck, wie er zum genentwickelten Soja steht.
taz: Werden Sie bald Schokolade mit Lecithin aus genbehandeltem Soja herstellen?
Nauck: Nein, denn wir beziehen unsere Soja ausschließlich aus Deutschland. Sollte es eines Tages nur noch genbehandelte Sojabohnen geben, dann würde ich wahrscheinlich trotzdem weiter Schokolade produzieren.
Gensoja oder herkömmliches Soja, ist Ihnen das egal?
Natürlich nicht, aber ich kann die öffentliche Panik nicht teilen. Erstens sollte bedacht werden, daß auf der Strecke von der Sojabohne zum Lecithin alles, was genrelevant ist, sowieso auf ein unbedeutendes Minimum reduziert wird. Zweitens ist die Art, wie die Gentechnologie hier eingesetzt wird, ja nicht nur zum Nachteil der Sojabohne.
Wo liegen denn Vorteile der Genbehandlung?
Eine herbizidresistente Soja könnte weit weniger Risiken bergen als eines, das während der Schädlingsbekämpfung mit Chemikalien erschlagen wird. Aber da müßte man genau abwägen zwischen den Methoden der verschiedenen Soja-Anbauer.
Könnten Sie zur Lecithingewinnung auf Soja verzichten?
Vielleicht. Aber wenn es eine Alternative gibt, würde da auch irgendwann die Gendiskussion beginnen. Dann wären wir um das Problem herumgeschlichen, ohne es zu lösen. Wenn ich meine Rezeptur wegen jeder Diskussionl ändern würde, wäre ich schon wahnsinnig geworden.
Sollte die Genkomponente im Lecithin für Verbraucher kenntlich gemacht werden?
Ich bin überzeugt, daß die gesetzlichen Bestimmungen relevante Schutzfunktionen für die Verbraucher beinhalten. Wenn es nach den Wünschen mancher ginge, müßte man ja wohl draufschreiben „genmanipuliert“. Da kann man gleich draufschreiben, „diese Schokolade ist bescheuert, kaufen Sie sie nicht.“
Können Sie denn das vielzitierte Restrisiko ausschließen, daß generzeugte Soja Allergien hervorruft?
Kann ich natürlich nicht. Aber was meinen Sie, ist gefährlicher: Eine Tafel Schokolade zu essen, die nur zu 1% Lecithin enthält, oder von Ihrer Redaktion über die Martini-Straße in den Schokoladenladen zu gehen, wo Sie dreißig Mal überfahren werden können?
Soll denn nicht jeder selbst entscheiden, was für ihn gefährlich sein könnte?
Wenn ich irgendwelche chemischen Formeln deklariere, dann bedeutet das nur, die Panik, die aus Irrationalität entsteht, zu unterstützen. Und wenn wir auf der Packungsrückseite alles deklarieren müßten, was die Sorgen unserer Verbraucher betrifft, dann reichte das Format einer 100-Gramm-Tafel dafür nicht mehr aus. Fragen: A. Mielisch
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