piwik no script img

Besinnungsloser Aufsatz über DrogenFeinkost für Käfer

Torsun, Sänger des Berliner Elektropunkduos Egotronic, hat mit „Raven wegen Deutschland“ einen kurzweiligen Roman über seine Drogenexperimente geschrieben.

Torsun: Verbimmelter unter Verbimmelten. Bild: Johannes Büttner

Wer viele Drogen nimmt, braucht immer noch mehr. Getreu dieser Maxime, über deren Praxis Außenstehende nur staunen können, ist „Raven wegen Deutschland“ das durchgeknallteste Bekenntnis zum Hedonismus seit Langem. Ein besinnungsloser Aufsatz darüber, was alles mit der Psyche passiert, wenn sie auf Endlospartys in den Wahnsinn getrieben wird.

Geschrieben in einer Sprache, die auch Leser von „Bussi-Bär“-Comics nachvollziehen können. Protagonist der Geschichte ist Torsun alias Thorsten Burkhardt, arbeitslos, unglücklich verliebt, mit dem Duo Egotronic macht er schrottigen Electropunk.

Im Underground ist der 37-Jährige ein nicht ganz unumstrittener Held, der qua antideutsche Gesinnung links wie rechts aneckt, auf der Bühne durch seine Abgehhaltung viele Sympathien unpolitischer Popfans einheimst. Egotronic sind eine linksradikale Version von The Prodigy: Zu den Agitproptexten ihrer Chiptunes lässt sich auch pogen.

Torsun und Kulla: "Raven wegen Deutschland. Ein Doku-Roman". Ventil Verlag, Mainz 2011, 278 Seiten, 12,90 Euro

Tatsächlich leidet Torsuns Musikprojekt nach dem Ausstieg des anderen Bandmitglieds unter Ladehemmung, weshalb er beschloss, seinen Drogenkonsum zu erhöhen. Vielleicht führt das ja zu neuer Kreativität, wie er schreibt.

Wie ein Käfer auf dem Rücken

Er berichtet, wie er sich in das Berliner Bermuda-Dreieck zwischen Berghain, Bar 25 und den Freiluftclubs entlang der Revaler Straße im Stadtteil Friedrichshain schmeißt. Dort schluckt er Ecstasy, zieht Speed, nimmt Ketamin, bis er nur noch wie ein Käfer auf dem Rücken liegend verharrte, als „Verbimmelter unter Verbimmelten“.

Es wundert, wie sich sein Erinnerungsvermögen erhalten hat und dass er zusammen mit dem Blogger Daniel Kulla dieses Machwerk verfassen konnte. Anders, als der Bandname Egotronic suggeriert, ist die Erzählebene nicht im Autoparlando gehalten, sondern gebrochen: Torsun lässt viele Begebenheiten aus der Sicht seiner Freunde in eingestreuten Interviews kommentieren.

Burkhardt stammt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Mit Dancefloor sozialisiert wurde er in den neunziger Jahren in der Mannheimer Disco „Milk“. „Doku-Roman“ heißt sein Buch im Untertitel.

Als Nachklapp zur Plagiatsdiskussion um die Guttenbergs oder Hegemanns wirkt „Raven wegen Deutschland“ erfrischend: Hier experimentiert der Kleinbürger noch selbst und lässt, wenn er es denn hinter die Türsteher schafft, die Klassenzugehörigkeiten hinter sich, um mit Gleichgesinnten auszuschweifen. Zu Risiken und Nebenwirkungen streut Torsun übrigens nützliche Ratschläge ein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • R
    RevderMitte

    WANN hörn di Systemedien endlich auf EGOTRONIC immet in die Nähe don Linksfaschismus zu rückenm! Egotronic sind vern von jeglichem Gedankengut und die Drogenlügen könnt ihr wuch auch stechken!!!!!11

  • K
    Kulla

    Ich wollte an dieser Stelle nur mal kurz anmerken, dass wir ein Quartett sind!