: Besinnung auf eigene Demokratie
■ Staatschefs des 26.Gipfeltreffens der Organisation für Afrikanische Einheit gegen „Verflechtung von Hilfszahlungen und demokratischer Fremdbestimmung“
Von Knut Pedersen
Mit einer Schlußerklärung, die sich gegen „ungerechte Handelspraktiken“ Europas und mangelnde Hilfe bei der Schuldenbewältigung wendet, ging am Mittwoch das 26.OAU -Gipfeltreffen in Addis Abeba zu Ende. Ein auf 34 Jahre angelegter Entwurf zum Demokratisierungsprozeß, in dem die Gründung von Regionalverbänden in mehreren Etappen vorgesehen war, fand vorerst keine Zustimmung, soll jedoch weiter diskutiert werden.
Kaum hundert Kilometer entfernt kämpfen Regierungstruppen und Rebellen um die Zentralmacht in einem Lande, das lange als „marxistischer Brückenkopf in Afrika“ angesehen wurde. Heute sind die überlebensgroßen Büsten von Marx, Engels und Lenin vom „Platz der Revolution“ in Addis Abeba verschwunden - klammheimlich. Und ebenso diskret flog am Montag abend auch Kenias Staatschef Daniel Arap Moi nach Hause. Im ehemaligen „Schaufenster des Westens“, dem Safariland europäischer Afrikaträume, schlagen sich aufgebrachte Massen mit der Polizei eines „liberalen“ Regimes, das auf die zwei ausgestreckten Finger des Siegeszeichens „V“ - für „victory“ - reagiert wie der Teufel auf die Weihwasserdusche. Im Lande Yomo Kenyattas will die Einheitspartei nichts von politischem Pluralismus wissen...
Schuld und Sühne - das war nach langen Jahren träger Gipfelroutine das dostojewskische Leitmotiv der OAU -Konferenz. Sühne für die verpaßte Demokratisierung eines Kontinents, dessen Staatschefs sich allzu lange als Potentaten aufgeführt haben. Wenige sind denn auch zum diesjährigen Gipfel nach Addis Abeba gereist. Es blieb ehemaligen Rebellenführern wie dem Ugander Präsidenten Yoweri Museveni vorbehalten, die autokratische Vergangenheit zu Grabe zu tragen. Das Plädoyer des für ein Jahr zum amtierenden Präsidenten der OAU gewählten Museveni für demokratische Mitbestimung wurde in der „feierlichen Grundsatzerklärung“ verwässert. Dort ist nur von „toleranterem politischen Kontext“ die Rede und von der „Notwendigkeit, die aktive Teilnahme der Bevölkerung im Regierungs- und Entwicklungsprozeß zu fördern“. Das erinnert an nichtssagende Floskeln der Vergangenheit.
„Dreißig Jahre nach der Unabhängigkeit unseres Kontinents sind noch immer zwei Drittel der Bevölkerung Analphabeten, und 160 Millionen Afrikaner leben in absoluter Armut“, hatte Museveni seinen Kollegen vorgehalten. Und der nigerianische Staatschef Ibrahim Babagida wurde noch deutlicher: „Unser Versagen ist in erster Linie das Versagen unserer Führungseliten. Wir haben unsere Mitbürger verwaltet, als ob das Ausland moralisch verpflichtet wäre, für ihren Unterhalt aufzukommen. Damit ist es heute zu Ende!“
Angesichts solch brutaler Selbstkritik sah sich OAU -Generalsekretär Salim Ahmed Salim gezwungen, die „Verflechtung von Hilfszahlungen und demokratischer Fremdbestimmung“ zu verurteilen. Tschads Außenminister Acheiks Ibn Oumar verdammte gar den „demokratischen Neokolonialismus“ westlicher Länder. Zu guter Letzt einigte man sich auf ein vages „mehr Demokratie“, ohne freilich von Mehrparteienpluralismus zu sprechen.
Und der Schuldenerlaß? Angesichts von Auslandsverpflichtungen, die sich nunmehr auf mehr als 250 Milliarden Dollar belaufen, hat der panafrikanische Gipfel erneut auf internationle Unterstützung gedrängt - mit wenig Aussicht auf Erfolg. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre hat sich die Schuldenlast Afrikas verfünffacht. Zaghafter Beistand wurde lediglich den Ärmsten der Armen für die Rückzahlung zwischenstaatlicher Kredite gewährt. In den relativ entwickelten Ländern, die heute vor einem politischen und ökonomischen Scherbenhaufen stehen, ist hingegen die wachsende Verschuldung gegenüber Privatbanken ein noch immer ungelöstes Problem. Dabei sind allein Länder wie Kenia, Gabun, Kamerun, Nigeria und die Elfenbeinküste in der Lage, als regionale „Lokomotiven“ den wirtschaftlichen Karren Afrikas aus der Krise zu ziehen.
Zu bejubeln blieb denn auch diesmal lediglich Nelson Mandela, der „endlich freie Held eines freien Afrikas“. Der 72jährige mußte seinen Aufenthalt in Äthiopien jedoch vorzeitig abbrechen und in ein Krankenhaus in Nairobi eingeliefert werden. Er dankte dem kontinentalen Forum, zu dem nunmehr als 51.Mitgliedsstaat auch das unabhängige Namibien gehört, für seine „solidarische Unterstützung der Brüder in Südafrika“.
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