Besetzung des Lafayette in Berlin: Die Häuser denen, die drin lesen
Mitarbeiter der Berliner Zentral- und Landesbibliothek besetzen das ehemalige Lafayette-Gebäude an der Friedrichstraße – mit Duldung des Eigentümers.
Die ZLB will die Idee eines Umzugs in das „Quartier 207“ genannte ehemalige Gebäude der Kaufhausgruppe Galeries Lafayette nicht einfach so abschreiben. Die Bibliotheksfreund:innen haben über 18.000 Unterschriften für ihre „Jahrhundertchance“ gesammelt, mit Unterstützung von Kultursenator Joe Chialo (CDU) kontinuierliche Lobbyarbeit dafür gemacht – an diesem Donnerstag wollen sie die nächste Stufe zünden und den Riesenbau besetzen.
„Wir geben nicht auf. Wir wollen zeigen, dass es Sinn macht, in dieses Gebäude umzuziehen“, sagt ZLB-Sprecherin Anna Jacobi zur taz. Vormittags wollen die Mitarbeiter:innen in dem seit dem Sommer leerstehenden Luxuskaufhaus noch unter sich bleiben. Ab 14 Uhr dann ist „Berlins Bevölkerung“ eingeladen, sich selbst davon zu überzeugen, „dass das Gebäude der richtige Ort“ für die ZLB ist.
Es wird eine „solidarische“ Lesebühne geben, Workshops, Stände – und viel Leere. „Wir stellen uns ein bisschen ein Happening vor. Aber wir wissen selbst nicht, was passiert und wie viele Leute kommen“, sagt Jacobi.
Besetzung der eigenen Art
Es ist freilich eine Besetzung der eigenen Art. Um 18 Uhr soll sie planmäßig schon wieder beendet werden. Und, so Jacobi: „Wir haben die Duldung des Hausbesitzers für die Nutzung an diesem Tag.“ Vermutlich nicht ganz uneigennützig. Denn der „Hausbesitzer“, der US-Immobilieninvestor Tishman Speyer, will das Quartier 207 eigentlich gewinnbringend losschlagen – und zwar an das Land Berlin. Ansonsten, so die Alternative, kämen eben Büros in den Glaskasten.
Anfang 2022 hatte Tishman Speyer das Haus für geschätzt 300 Millionen Euro erworben, nur um es eineinhalb Jahre später der Kulturverwaltung für fast das Doppelte als neuen Bibliotheksstandort anzubieten. Bald wurde kolportiert, im Kaufpreis von gut 580 Millionen seien auch die nötigen Umbauten enthalten. Den Haushaltspolitiker:innen standen trotzdem schon damals die Haare zu Berge.
Kultursenator Chialo war dagegen elektrisiert, die Bibliotheksszene sowieso. Beengte Verhältnisse in maroden Immobilien: Seit Jahren weist die ZLB darauf hin, dass es an den vorhandenen Standorten am Blücherplatz in Kreuzberg, der Breiten Straße in Mitte und dem Westhafen so wie bisher nicht mehr weitergehen kann.
Ein ebenso lang versprochener Neubau am Blücherplatz kam über die Phase des Versprechens faktisch nie hinaus – wie jetzt auch der von Chialo in Aussicht gestellte Umzug ins neue Land der Verheißung, das Quartier 207. Das ist unser Haus, heißt es nun sinngemäß aufs Neue von den Besetzer:innen der ZLB. Der Kultursenator sei zur Aktion am Donnerstag eingeladen, ob er auch kommt, wisse sie nicht, sagt ZLB-Sprecherin Jacobi.
Das bisschen Haushalt
Klar ist: CDU-Mann Chialo hat zwar gerade erst kampflos fast 130 Millionen seines rund 1 Milliarde Euro umfassenden Jahresetats für 2025 in den schwarz-roten Spartopf geworfen und empfiehlt der sich beschwerenden Kultur angesichts des neuen Niedrigwassers beim öffentlichen „Geldfluss“ einfach mehr „Eigenleistung“. Seine Lafayette-Idee verteidigt er gleichwohl eisern weiter.
So erklärte der Kultursenator im Interview mit der FAZ vor ein paar Tagen erneut, dass die Chance eines Umzugs in die Friedrichstraße „doch real diskutiert und von einem Großteil der Bürgerinnen und Bürger begrüßt“ worden sei, weil die ZLB „dort für wahnsinnige Belebung sorgen würde, auch für ein Erstarken der Wirtschaft“.
Wenn nun aber plötzlich schon Kürzungen bei der Komischen Oper um 10 Millionen Euro ein, so Chialo, derart „Riesenthema“ seien, „dann kann man natürlich schwer zugleich über Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe reden“. Um dann unmittelbar darauf doch wieder darüber zu reden: „Wenn die finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, würden wir sofort loslegen. Andere mögen das Projekt begraben, ich begrabe es noch nicht.“
Bei Melanie Kühnemann-Grunow sorgen solche Sätze mindestens für Irritation. Chialo wisse sehr wohl, dass das Projekt tot ist, sagt die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion zur taz. „Er kann das wohl leider nur nicht zugeben.“ Kühnemann-Grunow und die SPD standen der Lafayette-Idee dabei schon zu Beginn der Debatte im vergangenen Jahr skeptisch gegenüber. Schön, aber nicht finanzierbar: „Das habe ich von Anfang an gesagt.“
Kürzungen auch beim ZLB-Budget
Für einen neuen zentralen Bibliotheksstandort sieht die SPD-Politikerin zappenduster. Ihr tue das „wirklich leid“, die ZLB leiste „super Arbeit“, sie wisse auch, dass die Standorte aus allen Nähten platzen und die Bausubstanz zum Teil katastrophal sei. Aber der Bibliothek werde auf längere Sicht nichts anderes übrigbleiben, als weiter in den vorhandenen landeseigenen Immobilien zu murksen und sich mit Provisorien zu behelfen. Auch ein Neubau sei nicht drin.
„Angesichts der finanziellen Möglichkeiten bin ich da gerade mit meinem Latein am Ende“, sagt Kühnemann-Grunow. Dies umso mehr, als es für die ZLB künftig sowieso nicht mehr, sondern weniger Geld geben wird. Denn Chialos Loblieder auf die Berliner Mammutbibliothek hin oder her: Selbstverständlich findet auch sie sich auf der in der vergangenen Woche veröffentlichten schwarz-roten Sparliste des Grauens.
Von den ursprünglich für die drei Standorte im kommenden Jahr eingeplanten Zuschüssen in Höhe von 36,4 Millionen Euro sind 4 Millionen im Chialo-Etat jetzt gestrichen worden. „Für Kulturpolitiker:innen ist das echt eine schwere Zeit“, sagt die Kulturpolitikerin Kühnemann-Grunow.
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