piwik no script img

Beschleunigter AtomausstiegGrüne und SPD loben die Regierung

Die Opposition lobt den neuen schwarz-gelben Zeitplan für den Ausstieg. Ihre Zustimmung im Parlament ist nicht unwahrscheinlich – nach Lektüre des "Kleingedruckten".

Bleibt ausgeschaltet: Das AKW Brunsbüttel hat keinen Schutz gegen Flugzeugabstürze.. Bild: dpa

BERLIN taz | Regierung und Opposition ringen um einen Konsens beim Atomausstieg. "Wenn die Koalition sich bei der Endlagerung und bei Sicherheitsanforderungen an Atomkraftwerke bewegt, kann ich mir eine Zustimmung im Parlament vorstellen", sagte Ulrich Kelber am Sonntag. Der Vizechef der SPD-Fraktion betonte aber: "Wir können bisher keine abschließende Entscheidung über eine Zustimmung treffen, weil die Details der Koalitionspläne unklar sind."

Nach Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten und den Spitzen der Koalition hatte Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) am Freitagabend die neue Linie dargestellt. Hatte Schwarz-Gelb bisher geplant, AKWs in zwei Wellen abzuschalten - die ältesten sofort, die neuen nach 2020 -, will es jetzt stufenweise abschalten.

Die sieben ältesten Reaktoren und das AKW Krümmel bleiben stillgelegt, dann folgen jeweils ein Kraftwerk 2015, 2017 und 2019. Drei weitere werden laut Röttgen 2021 abgeschaltet, die jüngsten drei Reaktoren ein Jahr später. Auf diese Stufen hatten viele Länderchefs gegenüber Kanzlerin Angela Merkel gedrängt. Dennoch bleibt der genaue Ablauf vage: Das Kabinett berät Näheres am Montag.

Von SPD und Grünen kam Lob für den beschleunigten Ausstieg. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte: "Es geht in die richtige Richtung." Sie schränkte ein, die Grünen würden sich den Gesetzentwurf genau ansehen und "auch das Kleingedruckte lesen" - etwa zum Thema Endlagersuche.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte: "Der neue Zeitplan für den Atomausstieg ist ein großer Erfolg für die SPD und die Anti-Atom-Bewegung." Er sehe "die Chance für einen Energiekonsens".

Sowohl SPD als auch Grüne hüten sich, Schwarz-Gelb einen Blankoscheck bei der Energiewende auszustellen. Man werde Gesetz für Gesetz entscheiden, ob es zustimmungsfähig sei, sagte SPD-Fraktionsvize Kelber. Grundsätzlich beharre seine Partei nicht darauf, "100 Prozent SPD" durchzusetzen. "Irgendwann müssen wir eine Werteentscheidung treffen: Ist die Unterscheidbarkeit der Parteiprofile wichtiger? Oder ist es wichtiger, den Ausstieg politisch so zu zementieren, dass sich niemand mehr traut, daran zu rühren?"

Die Grünen stecken noch stärker in der Klemme: Tragen sie den Plan mit, kann sich Merkel damit schmücken, selbst die Überzeugtesten überzeugt zu haben. Verweigern sich die Grünen, laufen sie Gefahr, als Nörgler dazustehen, die einen historischen Konsens verhindern. Die Anti-AKW-Bewegung macht bereits Druck: Wenn die Grünen den Kompromiss mittrügen, würde dies ihre Glaubwürdigkeit "extrem beschädigen", heißt es in einem Brief der Initiative .ausgestrahlt an den Parteivorstand. Gegebenenfalls soll ein Sonderparteitag im Juni über eine Zustimmung entscheiden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • F
    fhirsch

    Hallo ihr Grünen,

     

    wenn ihr jetzt nicht mitmacht, dann steht ihr ziemlich bescheuert da. Man kann doch einfach mal einen Pflock reinhauen. Nachbessern kann man dann immer noch, wenn es mit der Energieversorgung oder -ersparnis besser laufen sollte als erwartet. Lieber ein Ausstieg bis 2022 als kein Ausstieg bis... kapiert?

     

    Außerdem wird die Anti-AKW-Bewegung noch genug Arbeit damit haben, die Nachbarländer auf Ausstiegskurs zu bringen. Jetzt tut mal nicht so als könnte man die neueren AKWs nicht noch ein paar Jährchen länger ertragen, nachdem sie 40 jahre lang da rumgestanden haben. Liebhaben muss man sie ja trotzdem nicht.

  • C
    Celsus

    Und trotzdem täte etwas kritische Distanz zur Regierung immer noch gut. Nicht, weil das aus Prinzip geschieht. Aber wie war das noch mit der geplanten Förderung von Stromfressern wie Elektroautos? Dann wird der Energieengpass eine selbsterfüllende Prophezeiung.

     

    Zudem sollen jetzt aus Steuermitteln alle möglichen Subventionen gezahlt werden. Das tut doch gar nicht Not. Investitionen von Privathaushalten in Wärmedämmung, Sonnekollektoren und Windkraft machen sich schnell bezahlt und es kann sogar ein Kredit in Anspruch genommen werden, der nicht einmal mit mehr Geld als den bereits zu Anfang eingesparten Energiekosten getilgt werden muss. Banken geben die Kredite jetzt schon problemlos. Hier Subventionen in Aussicht zu stellen, ist nicht nur für den angeknabberten Staatshaushalt unverantwortbar. Es ist auch ein Wartesignal für alle, die eigentlich jetzt schon derartige Maßnahmen in Angriff nehmen würden.

     

    Zudem: Was ist mit den Möglichkeiten der Länder hier die Vorschriften für neue Häuser hinsichtlich Wärmedämmung dem neusten technischen Stand anzupassen? Lippenbekenntnisse der Union zum Klimaschutz sollten nicht alles sein, nur um den politischen Gegner zu bekämpfen. So ein paar Taten wären auch ganz gut.

  • H
    Holländer

    Die letzte 6 AKWs in 2 Jahr abschalten ist nicht viel anders als die letzte 9 in 2022 abschalten und nicht gerade woran ich beim Wort "stufenweise" denke.

     

    Dann kann es noch immer passieren, dass man in 2021 sagt, dass 6 AKWs zugleich abschalten nicht geht, dass die Kapazität nicht ausreicht (die auch bis dahin nicht gebraucht wurde), und das ein Notgesetz notwendig ist um die letzte 6 AKWs länger am Netz zu lassen.

     

    Stufenweise wäre für mich jedes zweite Jahre zwei AKWs abschalten. Logischer wäre jedes Jahr eins.

  • K
    Konrad

    Vielleicht geht es ja doch noch: Vielleicht sind die Deutschen doch noch fähig gemeinsam ihr Land nach vorne zu bringen. Erfreulich.

  • U
    Uranus

    Privaten Stromimport organisieren.

     

    Wie wärs mit bisschen mehr Markt....

     

    Einkaufsgenossenschaften (Modell siehe TAZ) könnten

    Wasserkraft-Strom aus Schweden kaufen.

    Andere könnten vielleicht Strom aus Frankreich kaufen.

    Man kann freiwillig von der einen oder anderen liefern lassen.

     

    Preise würden ausgemacht, die Kraftwerksanlagen gebaut/betrieben, sicherlich auch Gewinne gemacht.

    Die Leute vor Ort freuen sich über das Geld für den Strom oder die Arbeit und den Wohlstand. Oder ärgern sich für den Dreck oder fürchten sich vor dem bösen Reaktor. Das können Sie halbswegs demokratisch machen.

     

    Ergo: Stromimport ist eine reine Geschmacksfrage oder einfach Preisfrage.

    Für die teutschen Romantiker gern auch etwas hochtrabend eine Gewissensfrage, auch ok.

     

    Wenn jedes Land tut, wass es will, dann soll auch jeder kaufen können was sie/er will ... auch beim Strom.

  • F
    Florentine

    Dieses Lob hat sich Merkel auch verdient. Mir ist jemand lieber, der evtl aus Fehlern und aktuellen Geschehnissen (Fukushima) lernt. Jetzt fehlt nur noch ein dickes Lob an Merkel und ihren Guido, dass sie Deutschland NICHT wie von der taz, den GRÜNEN und der SPD gewünscht, in den Krieg gegen Libyen geführt hat. Gerade bei den 3 Letztgenannten habe ich häufig den Eindruck, dass reflektieren ein unbekanntes Wort ist.