Beschlagnahme von E-Mails erlaubt: Löchriges Fernmeldegeheimnis
Das Bundesverfassungsgericht erlaubt die Beschlagnahme von E-Mails beim Provider. Nur verfahrensrelevante Nachrichten darf die Polizei dauerhaft speichern.
Wenn E-Mails beim Internetprovider beschlagnahmt werden, ist dies zwar ein Eingriff ins Fernmeldegeheimnis, dennoch sind solche Beschlagnahmungen nicht nur bei schweren Straftaten möglich. Dies entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil.
Konkret ging es um ein Betrugsverfahren in Norddeutschland. Zwei Männer hatten Investoren mit falschen Angaben überredet, Geld in den Bau einer Fabrik in Indien zu stecken. Teile des Geldes nutzten sie für eigene Zwecke. Bei den Ermittlungen gegen die beiden Männer wurden auch die E-Mails ihres nicht beschuldigten Geschäftspartners B. beschlagnahmt, der dagegen Verfassungsbeschwerde erhob.
Die E-Mails waren nicht auf dem heimischen Computer gespeichert, sondern beim Provider von B.
Lange war umstritten, ob beim Provider gespeicherte Mails vom Fernmeldegeheimnis geschützt sind oder nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dies im Mai verneint, weil die Übertragung der Mails bereits abgeschlossen sei und der Empfänger nun selbst bestimmen könne, ob er die Mails löscht oder auf dem Server belässt (taz berichtete).
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts korrigierte nun den BGH. Auch die beim Provider gespeicherten Mails seien noch vom Fernmeldegeheimnis geschützt, weil der Provider weiterhin direkt auf die Mails zugreifen kann und der Inhaber des E-Mail-Kontos dies auch nicht verhindern könne.
Allerdings zogen die Verfassungsrichter daraus nicht den Schluss, dass nun die strengen Anforderungen an eine Telekommunikationsüberwachung gelten. Dann hätte die Polizei Mails beim Provider nur zur Aufklärung erheblicher Straftaten sicherstellen dürfen. Die Verfassungsrichter ließen hier vielmehr die normalen Regeln der Beschlagnahme ausreichen und forderten nur eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall. Die Beschlagnahme von Mails beim Provider ist also auch zur Aufklärung geringfügiger Straftaten möglich. Dieser Eingriff sei im Interesse einer "wirksamen Strafverfolgung" gerechtfertigt.
Konkret fordern die Karlsruher Richter, dass der Betroffene vor der Beschlagnahme informiert wird. Es dürfen nur Mails dauerhaft gespeichert werden, die mit dem Verfahren etwas zu tun haben. Mails aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung dürfen von der Polizei nicht dauerhaft erfasst werden. Deshalb sind die Mails vor der Beschlagnahme zu sichten. Wenn es der Grundrechtsschutz erfordert, ist der Empfänger der Mails bei der Sichtung hinzuzuziehen. Ein generelles Anwesenheitsrecht bei der Sichtung der Mails führten die Richter aber nicht ein. Alle Daten, die für das konkrete Ermittlungsverfahren nicht benötigt werden, sind sofort zu löschen.
Im konkreten Fall waren diese Anforderungen erfüllt, sodass die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg hatte. Die Richter beanstandeten nicht einmal, dass die Polizei erst einmal alle E-Mails auf dem Server kopierte, um sie später auf dem Revier zu sichten. Dies habe die "Integrität der Geschäftsräume" des Providers geschützt, weil sich die Beamten dann nicht allzu lange dort aufhalten mussten.
Az.: 2 BvR 902/06
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