: Bertelsmann läßt Kirch im Regen stehen
EU-Kommissar van Miert: „Am Ende hat Bertelsmann nein gesagt.“ Das Poker um die Fernsehpläne von Bertelsmann und Kirch endete trotz enormen Drucks bis zur letzten Minute mit einem Verbotsbeschluß ■ Aus Brüssel Alois Berger
Als Karel van Miert gestern mittag in Brüssel das Verbot der Pay- TV-Allianz von Bertelsmann, Kirch und Telekom bekanntgab, lag deutliches Mitleid in seiner Stimme. „Ich habe die letzten Tage und Wochen sehr gute Gespräche mit Herrn Kirch gehabt“, erzählte der EU-Wettbewerbskommissar, „er hat sich sehr beweglich gezeigt. Ich würdige das.“
Es klang fast, als wäre van Miert in den letzten zwei Tagen klargeworden, daß seine Androhung des Verbots von Bertelsmann-Managern möglicherweise benutzt wurde. Die, so kann vermutet werden, nahmen in Kauf, den Medienmogul in ein Finanzdesaster zu treiben. „Ich dachte gestern noch“, meinte der EU-Wettbewerbskommissar, „daß wir uns gut aus der Affäre ziehen könnten.“ Doch als eine Lösung greifbar gewesen sei, habe „Herr Dornemann von Bertelsmann nein gesagt“.
Der Knackpunkt, an dem die Allianz letztlich scheiterte, war eine Klausel, die möglichen anderen Programmanbietern einen Zugang zum Pay-TV-Markt offenhalten sollte. Dabei ging es zum einen um die Bereitschaft des Konsortiums, auch andere Programme über die d-Box zu verbreiten – jene Technik, die sie zum Standard für die künftige TV-Technik machen wollten. Zum anderen sollte der Kirch-Bertelsmann-Sender Premiere sich verpflichten, alternativen Programmanbietern Teile ihrer Film- und Sportrechte zu verkaufen, denn in diesem Bereich haben Kirch und Bertelsmann den Markt nahezu abgeräumt.
Andere Anbieter, so erklärte van Miert, könnten nur dann künftig mitspielen, wenn sie zumindest Teile der Rechte erwerben könnten. Seine Vorstellung war es, daß etwa Regionalsender ihr eigenes Programm mit einzelnen Rechten und Kanälen aus dem Premiere- Fundus zu einem konkurrenzfähigen Paket schnüren könnten: „Kirch hat sofort zugestimmt, Bertelsmann hat sofort abgelehnt.“
Das war am Dienstag abend, also rund zwölf Stunden bevor die zwanzig EU-Kommissare gemeinsam über den Fall zu entscheiden hatten. Bis gestern morgen hofften einige noch, daß Bertelsmann sich vielleicht doch noch bewegen würde. Doch kurz vor der Entscheidung traf in Brüssel ein Fax aus Gütersloh ein, in dem Bertelsmann die Ablehnung des Einigungsvorschlags schriftlich bestätigte. Den Kommissaren blieb nichts übrig, als die Fusion einstimmig zu verbieten. Als Begründung wurde angegeben, daß die Allianz aufgrund ihrer technischen Ausgestaltung und ihrer überwältigenden Vormacht bei Film- und Sportrechten ein faktisches Monopol gebildet hätte, das andere vom Wettbewerb ausgeschlossen hätte. Bei einer nur geringfügig weniger strikten Haltung von Bertelsmann wäre es zu einer heftigen Auseinandersetzung in der EU- Kommission gekommen. Selbst ein noch so durchsichtiges Scheinangebot hätte vermutlich ausgereicht, um die Meinungen in der Kommission zu spalten. Denn sowohl die deutschen Kommissare Martin Bangemann und Monika Wulf-Mathies als auch der Luxemburger EU-Kommissionspräsident Jacques Santer hatten noch am Vortag signalisiert, daß sie der Fusion aus industriepolitischen Erwägungen aufgeschlossen gegenüberstehen.
Immer wieder tauchte das Argument auf, daß der Start des Digitalfernsehens und die damit verbundenen Wachstumschancen sonst möglicherweise auf längere Zeit verbaut würden. Auch die französische EU-Forschungskommissarin Edith Cresson tendierte in diese Richtung. Doch Bertelsmann verabschiedete sich innerlich offensichtlich schon vor der EU-Entscheidung von der Allianz mit Kirch. „Die haben schon seit einiger Zeit nicht mehr richtig mitgearbeitet“, klagte Karel van Miert gestern.
Ohnehin hätten die Beteiligten zuviel Zeit verstreichen lassen, ohne konstruktive Vorschläge zu machen. Der letzte Lösungsvorschlag sei deshalb auch von ihm selbst gekommen, sagte van Miert, obwohl das eigentlich nicht seine Aufgabe sei.
Van Mierts Einsatz läßt ahnen, wie groß der Druck aus Deutschland gewesen sein muß. Schon früher hatte sich der EU-Wettbewerbskommissar darüber beklagt, daß sich selbst Bundeskanzler Kohl in Brüssel eingemischt und ihn vor einem Verbot der Allianz gewarnt hatte.
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