Bert Schulz blickt auf das Chaos am Alexanderplatz: Ein Mann, ein Ort
Es gibt wohl keinen Ort in Berlin, dessen internationaler Ruf der lokalen Realität derart widerspricht, wie es beim Alexanderplatz der Fall ist. Das hat – natürlich – mit dem weltberühmten Buch von Alfred Döblin zu tun, oder besser: vor allem mit dem Buchtitel. Schließlich ist der Alexanderplatz in jenem Roman vor allem eine wuselige, chaotische Baustelle; ein Zustand, der nicht allzu weit entfernt ist vom aktuellen. Der Ruhm des Buchs hat aber irgendwie auf den Platz selbst abgefärbt, sodass man eigentlich irgendwas Mondänes erwartet, wenn man den Platz zum ersten Mal erblickt. Oder zumindest etwas Urbanes mit rasch erfassbarem Charme.
Der Anblick, der sich den Besuchern bietet, ist jedenfalls bestenfalls enttäuschend: Entweder schockt einen die Betontristesse, die sich dort im Normalzustand etabliert hat. Oder man wähnt sich in Wanne-Eickel, wenn sich mal wieder die vielen Holzbuden auf dem Platz breitgemacht haben. Darin, egal ob es sich offiziell um den Oster-, Sommer-, Herbst- oder Weihnachtsmarkt handelt, stets dieselben Verkäufer mit gleichem drögen Nippes, und fast immer stellt jemand eine fast lebensgroße Dekowindmühle aus Holz dazu.
Selbst der für den Platz zuständige Bürgermeister von Mitte Stephan von Dassel (Grüne) hat das Drama inzwischen erkannt. Prompt nimmt er sich in seinem ersten Newsletter des Themas an: Senat, Bezirk, Träger und Anlieger sollen ihre Aktivitäten und Planungen für den Platz besser miteinander abstimmen. Von Dassel will deshalb zunächst für vier Jahre eine/n „Alexmanager*in“ einzustellen. Sie oder er soll künftig „Planungen, Informationen und Maßnahmen dort koordinieren und bündeln“.
Wer sich nun aber allzu viel erhofft, etwa etwas Mondänes oder Urbanes mit Charme, den muss von Dassel enttäuschen: „Der Alexanderplatz ist chaotisch, und ganz geordnet wird er angesichts der Vielzahl von unterschiedlichen Nutzungen, Interessen und mehr als 300.000 Besuchenden am Tag wohl auch nie werden.“ Aber immerhin überblickt dann jemand das Chaos: Sogar ein Büro direkt am Platz hat der Bürgermeister für die Alexmanager*in schon gefunden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen