Bernhard Pötter Wir retten die Welt: Manchmal muss man bereit sein, dem Mobber und Schläger aufs Maul zu hauen
Als ich in die Annedore-Leber-Grundschule ging, hatte die Bedrohung einen Namen: Marcel. Mein Mitschüler in der 2a pöbelte, schubste und prügelte sich durch den Schulalltag, niemand war vor ihm sicher. Marcel hatte bestimmt eine schwere Kindheit, aber das war uns Sieben- und Achtjährigen egal. „Dann musst du auch mal zurückhauen“, riet mein Vater. Leicht gesagt. So richtig haben wir anderen uns nie getraut, Marcel mal gemeinsam zu verdreschen. Und eine Generation später haben wir drei Kinder mit dem guten pazifistischen Rat durch Kita und Schule geschleust: Über Konflikte muss man reden, deeskalieren, einen Ausgleich suchen, den Standpunkt des anderen verstehen, Sie wissen schon.
Vielleicht war das ein Fehler. Vielleicht muss man manchmal für die Rettung der Welt bereit sein, dem Mobber und Schläger eins aufs Maul zu hauen. Dieser Gedanke lässt mich seit dem 24. Februar 2022 nicht los. Und er wurde am 20. Januar 2025 noch stärker. Verteidigungsminister Pistorius will Deutschland „kriegstüchtig“ machen.
Gegen den Schulhofschläger von Washington sollten wir zumindest handelskriegstüchtig werden. Denn statt wie jetzt bibbernd auf den neuesten Strafzollirrsinn von Donald Trump zu warten, könnten wir Europäer den Handelskrieg gegen die USA beginnen. Wir haben den besten Grund der Welt und der Umwelt: Die USA torpedieren das Pariser Klimaabkommen, verweigern Finanzhilfen für die Opfer ihrer Emissionsattacken und wollen nach noch mehr mörderischem Öl und Gas „drillenbabydrillen“. Das sind eine Menge Prügel für die Zukunftschancen des ganzen Schulhofs. Da kann man schon mal zurückschlagen.
Ausgerechnet China, der andere große Klima-Raufbold, macht es vor: Strafzölle auf US-Importe von Kohle, Öl und Flüssiggas. Das sollten wir raubkopieren. Und statt mehr LNG aus den USA zu kaufen, wie es die EU jetzt unterwürfig und gegen alle Green-Deal-Planungen debattiert, genau das Gegenteil tun. Die fossile Abrissbirne der US-Demokratie nicht auch noch ermutigen, sondern fette Strafzölle erheben: zum Beispiel auf Öl und Gas aus klimaschädlichem Fracking, Autos und Flugzeuge mit Verbrennermotoren, Soja und Rindfleisch aus umweltschädlicher Landwirtschaft.
Nicht die feine europäische Art? Sie irren. Beim EU-Handelsdeal mit dem Mercosur ging es auch um Strafen, sollten Bolsonaros Brasilien oder Mileis Argentinien aus dem Pariser Abkommen aussteigen. Europa hat gedroht, und Paris blieb zumindest bislang intakt. Aber leider, leider, liebe TTIP-GegnerInnen: Obwohl über den Atlantik jährlich Waren und Dienstleistungen für 1,5 Billionen Euro gehandelt werden, gibt es keinen EU-US-Handelsvertrag. Der scheiterte nach heftigen Debatten von 2013 bis 2016, die Älteren werden sich daran erinnern. Und damit gibt es jetzt auch keinen direkten Hebel, um Öko-Strafzölle gegen Trump und seine Hofschranzen zu erheben.
Aber muss uns das kümmern? Wenn Trump die Regeln bei Handel, Umwelt und Klima mit Füßen tritt, müssen wir die Füße dann still halten? Auf keinen Fall sollten wir über noch mehr fossile Massenvernichtungswaffen freiwillig den Weltuntergang beschleunigen. Ein Handelskrieg mit den USA wird uns Wohlstand kosten? Das Gegenteil ist richtig: Sich nicht gegen den fossilen Tyrannen aus Washington zu wehren, ruiniert unser aller Wohlstand und Überlebenschancen. Wir sollten Donald Trump in der Sprache antworten, die er versteht („Ich drohe dir mit Schmerzen, bis du mit mir einen Deal machst“) und ihn konsequent behandeln als das, was er ist: Ein Dealer. Und den jagt bei uns der Zoll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen