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Bernhard Pötter Wir retten die WeltGrün ist die Hoffnung. Jedenfalls im Frühling

Vor meinem S-Bahnhof steht eine Linde. Je mehr es frühlingt, desto mehr versperrt sie mir den Weg. Überall am Stamm grünen und sprießen die jungen Triebe. Alle paar Tage verdoppelt sich hier die Biomasse, ist mein Eindruck. Der grüne Dschungel greift nach den Passanten. Letztens kam ich bei ihr vorbei nach einem Tag voller schlechter Nachrichten, wie weltweit die Tier- und Pflanzenarten aussterben. Ich rannte fast in meine triebgesteuerte Linde und dachte: „Da lässt sich jemand nicht unterkriegen.“

Vielleicht ist das eine Berufskrankheit. Wer sich jeden Tag zwischen Klimakatastrophe und Autokalypse bewegt, bekommt einen Stuttgart-21-mäßigen Tunnelblick. Wir vergessen, wie lebendig und widerstandsfähig die Natur ist. Und wo es in die richtige Richtung geht. Wer sucht, findet nämlich durchaus Hoffnungszeichen, dass die Welt erst übermorgen untergeht: Da gibt es Bakterien, die Plastik fressen, Algen, die zu Flugbenzin werden, und Supermärkte, die keinen Kunststoff mehr wollen. Oder: Nach zehn Jahren Zählen entdecken Forscher, dass im Kongobecken deutlich mehr Gorillas und Schimpansen leben als bislang befürchtet.

Vor zwei Wochen war ich auf einer Konferenz, wo knallharte Finanzkapitalisten so von den Gewinnchancen der Ökoenergien schwärmten, dass man dachte, die Klimakrise löse sich in Wohlgefallen und Rendite auf. Letztens hieß es dann, wir hätten vielleicht doch unterschätzt, wie cool die Atmosphäre mit dem CO2 umgeht – die Erderwärmung gehe vielleicht nicht ganz so schnell wie befürchtet.

Puh. Da kann man erst mal ein bisschen aufatmen. Aber Entwarnung? Damit dann alle weiter mit gutem Gewissen Kohle verheizen? Der Grat ist sehr schmal: Vor den riesigen Problemen warnen – und sich nicht entmutigen zu lassen. Gerade wir Journalisten sehen gern alles in Dunkelschwarz. Oder in Rosa, sobald wir auf der anderen Seite des Mikrofons gutes Geld verdienen und für Behörden oder Unternehmen die Wirklichkeit schönreden.

Uns bleibt also nur: Realistisch bleiben und trotzdem die Hoffnung nicht verlieren. Gar nicht so einfach, wenn viele Trends bei Ökonomie und -logie ganz und gar falsch laufen. Da braucht es dann ab und zu eben ein kleines Wunder. Oder ein großes.

So, jetzt muss ich aber los. Der Wirtschaftsminister will die Energiewende ausbremsen. Nicht schon wieder! Einziger Lichtblick: Auf dem Weg zum Termin komme ich an meiner Linde vorbei.

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