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Bernd Schneider muss aufhörenDer den Ball liebte

Bernd Schneider muss 35-jährig seine Fußballerkarriere beenden. Wegen einer Rückenmarksverletztung. Eine Ende so tragisch, wie seine Karriere, die zu unrecht ohne Titel blieb.

Kurze Freude: Bernd Schneider (l) jubelt über das 4:0 im Spiel gegen Mönchengladbach im vergangenen Mai – sein erstes Spiel nach 398 Tagen. Bild: dpa

Die zurückliegenden Wochen könnten als "Sommer der Treulosigkeit" in die Annalen eingehen, Trainer wechseln ihre Klubs nach Belieben, Spieler sowieso, Fußball ist ein kaltes Geschäft. So etwas wie echte Liebe empfinden oft nur noch die Fans. Und Bernd Schneider.

Der 35-Jährige liebt den Ball, viele Jahre lang konnte man diese Leidenschaft fürs Runde bei den Spielen von Leverkusen und der Nationalmannschaft beobachten. Kein anderer deutscher Spieler der vergangenen 15 Jahre streichelte den Ball so zärtlich, versah jede Berührung mit solch einer Sorgfalt, keiner fand schönere Räume auf dem Platz, in die er die Kugel mit sanfter Bewegung hineinstreichelte.

Nun haben die Mediziner dieser Liebe ein Ende bereitet. "Bei einer ärztlichen Nachuntersuchung wurde festgestellt, dass die Rückenmarksverletzung, die der Spieler im April 2008 bei einem Sportunfall erlitten hatte, die Fortsetzung seiner Laufbahn als Berufsfußballspieler unmöglich macht", teilte sein Verein am Freitagmorgen mit.

Schneider, der so gerne Fußball spielte, dass er im Urlaub inkognito ahnungslose englische Touristen schwindelig trickste, darf noch nicht einmal mehr auf Freizeitniveau kicken. "Es juckt natürlich immer", hat er in einem Abschiedsinterview erzählt, "doch es wird wohl aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr gehen, dass ich dem Ball hinterherjage."

Es ist das betrübliche Ende einer großen Fußballerkarriere, in der das Element der Tragik stets angelegt war. In 15 Jahren Profifußball mit 296 Bundesligaspielen für Frankfurt und Leverkusen (39 Tore) und 81 Länderspielen (4 Tore) hat Schneider keinen einzigen Titel gewonnen. Zweimal war er mit Leverkusen Zweiter in der Bundesliga, er verlor ein WM-Finale, ein Champions-League-Finale und zwei DFB-Pokalendspiele. Das letzte erst vor vier Wochen in Berlin. "Trotzdem bin ich mit meiner Laufbahn zufrieden", verkündete er zum Abschied.

Wie der grandiose Fußballer, den sie auf dem Platz nur "Schnix" riefen, wirklich empfindet, weiß allerdings niemand. Einen tieferen Blick in seine Gefühlswelt hat Schneider der Öffentlichkeit nie gewährt, ohne Ball am Fuß wirkte er immer verschlossen und etwas wortkarg.

Dennoch ist Schneider wohl der einzige Spieler, der eine Meisterschaft mit einem Spruch entschieden hat. Aufgrund seiner Spielweise wurde der Jenenser auch "der weiße Brasilianer" genannt, in einer Partie in Gelsenkirchen provozierte er den Gegenspieler Lincoln 2007 daraufhin mit der Frage: "Und du willst Brasilianer sein?"

Lincoln gab dem Leverkusener eine Ohrfeige, flog vom Platz und fehlte Schalke in den entscheidenden Spielen um den Titel. Schneider ärgerte sich danach selbst über die Disziplinlosigkeit Lincolns, er hatte in einem Fußballmanagerspiel viel Geld in den Brasilianer investiert.

Diese bedingungslose Verspieltheit wird auch dem Nationalteam fehlen. Bis zuletzt hatte Schneider von der WM 2010 in Südafrika geträumt, "das sollte der Abschluss meiner Karriere werden", hat er gesagt, daraus wird nun nichts. "Die spielerischen Qualitäten von Bernd und seine überraschenden Aktionen im Mittelfeld waren für die Nationalmannschaft von enormer Bedeutung", teilte Joachim Löw mit, Schneider war auch einer der Protagonisten des spielerischen Aufschwungs beim DFB zwischen 2004 und 2008.

Zwar war er einer der wenigen Raucher im Profifußball, doch läuferisch präsentierte er sich immer vorbildlich, und sein Körper galt als unverwüstlich. Bis zu jenem lauen Sommerabend, als der portugiesische Klub Uniao Leiria zu Gast in Leverkusen war. Nach einem unscheinbaren Zweikampf hielt sich Schneider das Knie.

Er musste ausgewechselt werden, alles schien ganz harmlos. Von einer Prellung war die Rede - aber statt der angekündigten zwei Wochen fiel Schneider zweieinhalb Monate lang aus. Auf diese erste Verletzungspause der Karriere folgten kleine Rückschläge und eine Formkrise, bis Schneider nach einer Trainingseinheit mit Rückenbeschwerden zum Doktor ging. Der verordnete die verhängnisvolle Bandscheibenoperation, von der sich Schneider nicht mehr richtig erholte.

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6 Kommentare

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  • C
    Christian

    Schade, für mich war er einer der sympatischsten Fußballer in Deutschlands, gerade weil er immer relativ unauffällig blieb.

  • PP
    Peter Pander

    Eine Ode an Bernd Schneider!

     

    Danke taz!

     

    Als Bernd Schneider weiland zu Eintracht Frankfurt stieß, hatte ich das Vergnügen ihn erstmalig spielen zu sehen. Es war ein bedeutungsloses Vorbereitungsspiel in Idstein im Taunus. Mir genügten ein paar Ballkontakte von ihm, um zu erkennen hier spielt ein ganz Großer. Ausgefeilte Technik, verbunden mit seiner unvergleichlichen Spielübersicht machten ihn seit diesem Tag zu meinem Lieblingsspieler in der Bundesliga. So wie ich früher Bernd Schuster, Klaus Allofs oder Günther Netzer vereehrte.

  • Q
    Querdenker

    Das Bernd Schneider mit dem Fußball spielen aufhören muss ist sehr schade und ein großer Verlust für die Nationalmannschaft und Bayer04. Ich kann mich noch erinnern, wie er im Eröffnungsspiel der WM die Nationalmannschaft als Kapitän auf den Platz führte. So trauig dies ist, so war der Sieg gegen Borussia Mönchengladbach in Düsseldorf doch ein schöner Abscheid. Als bei der Einwechselung selbst die Borussen-Fans applaudierten und die sehenswerte Flanke zum Tor.

    Auch von mir Danke Schnicks

  • FB
    Felix Baarß

    Ach Schnix, das zerknickt mich so unendlich. Bin immer völlig vernarrt in die Leichtigkeit Deines Spiels gewesen. Ich weiß ganz genau, daß ich nie wieder einen mit so viel Spielwitz gesegneten Kicker erleben werde. Danke für die unzähligen fantastischen kleinen Momente auf dem Rasen, ich habe mich immer wieder aufs Neue - wie bei keinem anderen Fußballer - so diebisch gefreut, wie Du alle vernascht hast. Danke für die Seele, die Du der Champions-League-Finalmannschaft eingehaucht hast, die ich wegen ihrer Spielweise nach wie vor mit Abstand für die grandioseste Elf aller Zeiten halte - ohne ein Fan von Leverkusen zu sein. Und übrigens, "weißer Brasilianer" ist eine glatte Beleidigung. Kein Brasilianer wird je so trickreich UND lässig spielen wie Du.

     

    Das wird jetzt unglaublich pathetisch klingen, aber für mich ist Fußball nicht mehr derselbe ohne Dich. Da klafft eine große Lücke.

     

    Wie Toppi irgendwann schon so wunderbar einfach gesagt hat: "Der Bernd ist genial."

     

    Alles Gute Dir und Deiner Familie ... zum Glück gibt's ja noch ein Leben nach dem Fußball. Okay, das ist jetzt eher ein kläglicher Versuch, mich selbst zu trösten. ;)

  • C
    Carlo

    Und wieder verläßt ein richtig guter und dazu noch symphatischer Fußballer die Bühne des Profifußball.

    An dieser Stelle alles Gute und vielen Dank für den atkraktiven Fußball den Du geboten hast.

  • M
    melchior

    oh mit welch grossen augen ich seine

    bewegungen bestaunte und mit welcher

    klarheit er mir imponierte...

    fuer mich ein sehr sehr trauriger moment.

    danke schnicks