Bernd Müllender Eingelocht: Golfer sehen überallkleine weiße Bälle
Wir hatten uns schon einmal damit beschäftigt, was der Golfschwung eines Menschen über seinen Charakter aussagt. Wie sich jemand auf der Runde verhält, so ist er oder sie auch im Restleben.
Wer nach einem nicht ganz gelungenen Schlag mit dem Driver oder Eisen 4 lauthals flucht, dürfte im diesseitigen Leben auch nicht der gelassenste Zeitgenosse sein. Wer ständig seine Puts zu vorsichtig zu kurz lässt, der ist zu schüchtern und lässt es wahrscheinlich bei Kontakten zu anderen Menschen auch an Zielstrebigkeit vermissen. Bloß nicht übers Ziel hinausschießen! Das klingt vielleicht küchenpsychologisch, deckt sich aber verblüffend oft mit der Wirklichkeit zwischen Abschlag und Fahne.
All diese Typen gibt es auf dem Golfplatz. Und noch ein paar andere Kategorien. Da ist der stoische Spieler, stets relaxt, der nicht viel Federlesens um sein Tun macht: Schwingen, schlagen, weitergehen, fertig. Und dann sind da die Vielerzähler, die quatschenden Golfer. Zum einen ist da jemand wie mein häufiger Mitspieler R.: Er weiß umgehend zu analysieren „Hast du mal das Youtube-Video von xy gesehen?“ Natürlich wirst du verneinen. „Super Golftrainer. Der zeigt dir genau, wie …“ Und dann zeigt R.: Schulter so drehen, Schwungebene hier, Handgelenkeinsatz dann, Bunkerspiel lieber so …“ Ohne Ende oft.
R. ist der Theoretiker, der sich offenbar permanent am Wohnzimmertisch fortbildet und auch verblüffende Erklärungen parat hat: „Der Schlag muss deshalb zu kurz bleiben, schon von der Länge her.“ Mitspieler H. ist der Privathistoriker. Er erzählt ständig von seinen vergangenen Runden: Wie ihm an Loch 5 dies passiert ist, und dann an der 14. Man kommentiert höchstens mit einem „Aha …“, aber er macht ständig weiter. „An der 17 hab ich den Ball dann …“ Soso. Was aber alle eint, zumindest die Vielspieler, ist der innerliche Transfer des Golferlebens in den Alltag.
Zum Beispiel haben Golferinnen und Golfer immer die Augen offen, wenn sie auf dem Platz an einem Waldstück oder an dichten Grasflächen entlanggehen: da, ein verlorener Ball. Und, guck mal, da ist noch einer, wie schön. Zack, und eingesteckt. Das Auge ist wie bei Pilzesammlern geschult. Beim Spaziergang mit seinen Liebsten agiert er oder sie unbewusst genauso: Da, ein Ball im Gebüsch; ach nee, nur ein zerknülltes Papiertaschentuch. Aber da; nee, doch nur irgendein Abfall. Und alle sagen: sag mal, hast du sie noch alle, seit wann interessierst du dich für Müll?
Prellt sich der Golfmaniac beim Sitzen irgendwo an der Hüfte, ist der Schreck groß: Sonntag ist doch Clubmeisterschaft, hoffentlich wird das noch was – und er, meist sind es golfsüchtige Männer, wird nach dem Malheur gleich aufstehen und testweise mit ausladenden Schwungübungen beginnen, ob mitten in der Heiligen Messe oder bei einem Festessen im großen Kreis.
Gern wird er auch von „wasted opportunity“ sprechen, wenn man kurz an einer weiten Wiese entlangschlendert. Welch verpasste Gelegenheit: Hier, denkt er oder sagt es womöglich auch, hätte man doch einen lauschigen Platz anlegen können, guck mal, Abschlag zu einem Par 4 hier vorne, die Fahne da am Waldrand und weiter von dort mit einem kurzen Par 3 bis zu den beiden Bäumen da hinten. „Schade, ist nur eine Kuhwiese …“ Alles ist Golf.
So ist das mit dem Seelenleben der Schlägerschwinger. Und das ist noch lange nicht alles. Wirklich nicht. Nächsten Monat mehr.
Aus dem Abc der Vorurteile, heute X wie x-beliebiger Griff in die Mottenkiste: „Statt Golfplatz am Samstag Impfen am Samstag“, populisierte der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Franz-Josef Laumann (CDU) vergangene Woche in Richtung der Ärzte und Ärztinnen des Landes. Es lebe das Klischee – als würden sich die Doctores wochenends auf den NRW-Grüns zusammenrotten, zudem in der derzeitigen Herbstkälte. Dabei haben Ärzte0 doch schon Mittwoch nachmittags immer ihre Praxen zu, damit sie die traditionellen Herrentage spielen können, oder? Aber bitte, warum nicht samstags impfen auf dem Golfplatz, gleich nach der Runde? Ginge doch auch: Hole in one per Kanüle.
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