Berlins Piraten: Crashkurs im Asylbewerberheim
Abgeordnete der Piratenpartei besuchen die Erstaufnahmestelle. Sie fordern einen Abschiebestopp - und Internet für die Pflege sozialer Kontakte.
Die Piraten fordern einen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus dem früheren Jugoslawien bis zum Ende des Winters. „Das ist besonders wichtig für dort diskriminierte Minderheiten, da sie zum Teil aus besonders menschenunwürdigen Bedingungen geflohen sind. Ich werde meiner Fraktion vorschlagen, dazu einen Antrag ins Parlament einzubringen“, sagte der Piratenabgeordnete Fabio Reinhardt beim Besuch der Erstaufnahmestelle in der Spandauer Motardstraße. Vorbild für den Antrag ist eine gleichlautende Initiative aus Thüringen, das ebenfalls von einer großen Koalition regiert wird. Unter Berlins ehemaligem SPD-Innensenator Ehrhart Körting war ein Winter-Abschiebestopp ins frühere Jugoslawien zwar nie offiziell, aber viele Jahre gängige Praxis. CDU-Innensenator Frank Henkel hat hingegen vergangene Woche acht Serben abschieben lassen.
Als Provisorium gedacht
Das umstrittene Heim in der Motardstraße ist das vierte, das die Piratenabgeordneten Fabio Reinhardt und Oliver Höfinghoff gemeinsam mit jungen Basispiraten besuchten. „Wir wollen in der Praxis das kennenlernen, was im Parlament Thema ist“, begründeten sie ihre Bildungsreise. Fachwissen, das sich andere Fraktionen in mehreren Jahrzehnten aneigneten, müssen die Parlamentsneulinge in einem Crashkurs nachholen.
Es riecht nach Gas und alten Socken in den fünf Baracken, die 1988 als Provisorium für Flüchtlinge errichtet wurden und trotz defekten Deckenplatten, Duschen und Toiletten immer noch als Unterkunft herhalten müssen. Der Geruch kommt aber nicht von den Gasleitungen, sondern aus den Schloten der umliegenden Industriebetriebe. Das Flüchtlingsheim liegt im Gewerbegebiet, weitab von einer Wohninfrastruktur. „Wir fordern die Schließung des maroden Heims und mehr Wohnungen für Flüchtlinge“, sagte Reinhardt. Seine Fraktion sei derzeit auch dabei, Kriterien für die Ausstattung von Sammelunterkünften kritisch zu hinterfragen. „Es müssen beispielsweise klare Regeln her, wie viele Personen sich eine Dusche und eine Waschmaschine teilen müssen.“ Und sie wären nicht die Piraten, wenn sie nicht auch Internet und Münzfernsprecher für Asylheime fordern würden. Beides sei wichtig für die sozialen Kontakte.
„Es lohnt sich nicht, Geld in Internettechnik zu stecken, wenn das Heim bald abgerissen wird“, wendet Snezana Hummel vom Heimbetreiber AWO ein. „Aber wenn die Piraten eine Möglichkeit sehen, uns die Technik zur Verfügung zu stellen, würde uns das freuen.“ Die wollen einen Spendenaufruf unter ihren Mitgliedern starten.
Ein Problem in Spandau ist auch der Schulbesuch der Kinder. Die Wartezeiten auf die Schuleingangsuntersuchung sind so lang, dass nur wenige Kinder zur Schule gehen können, darunter vier Romajungen, die vor den beiden Piratenabgeordneten mit ihren ersten deutschen Sprachkenntnissen glänzen.
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