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■ Berlins Finanzsenator Elmar Pieroth über die PDS, ihre Berührungspunkte mit der CDU und über Schwarz-Grün„Die sollen hier ihre Heimat finden“

taz: Herr Pieroth, wann setzen Sie sich mit Gregor Gysi und Lothar Bisky aufs Sofa?

Elmar Pieroth: Mit Gysi setze ich mich aufs Sofa, wenn wir uns begegnen. Ich habe ihm wie auch Frau Pau schon gesagt, daß der Sozialismus, den beide vertreten, eine unmenschliche Ideologie ist. Und deshalb bekämpfe ich diese Ideologie seit 40 Jahren. Aber deshalb geht man ja trotzdem menschlich miteiander um.

Christoph Bergner aus Sachsen- Anhalt, der neue CDU-Vize, rät Ihrer Partei, sich von der antikommunistischen Propaganda zu verabschieden. Die PDS sei eine Volkspartei geworden.

Bergner hat gesagt, man soll mit der PDS von heute und nicht mit der von früher streiten. Mir geht es um die jetzigen PDS-Wähler, die auf der Suche nach Werten sind, die ihnen die Unionsparteien besser oder fast ausschließlich bieten können. Zum Beispiel mehr Schutz auf den Straßen durch mehr Präsenz der Polizei. Oder mehr Verantwortungsbewußtsein des einzelnen. In den Plattenbaugebieten im Osten ärgern sich viele, wenn Kinder die Pflanzen zertrampeln und sich eine alte Frau sagen lassen muß, das gehe Opa überhaupt nichts an. Ich will der PDS Wähler wegnehmen, das verstehe ich unter einer offensiven Auseinandersetzung mit ihr.

Der stellvertretende Berliner CDU-Vorsitzende hat gesagt, ihm sei ein NVA-Offizier lieber als ein alternativer Westberliner Lehrer. Geht Ihnen das auch so?

Der Großvater des NVA-Offiziers hat möglicherweise schon bei Preußens gedient. Wir haben lange den Fehler gemacht, alle Staatsdiener der DDR über den sozialistischen SED-Kamm zu scheren. Viele haben doch ihrem Staat gedient, ohne der SED nahezustehen. Die sollen in der Bundesrepublik Deutschland ihre Heimat finden, genauso wie der grün-alternative Lehrer.

In Ostberlin stehen der PDS als stärkste Partei sechs Bezirksbürgermeisterposten zu. Soll sie die bekommen?

Ich plädiere für CDU-Bezirksbürgermeister. Außerdem: Solange etwa der Hellersdorfer PDS-Bürgermeisterkandidat aus dem angestrebtem Amt heraus Opposition machen will, fehlt ihm das für dieses Amt notwendige demokratische Grundverständnis.

Sie wollen also PDS-Bürgermeister verhindern.

Nein, ich bin dagegen, irgendwelche Tricks anzuwenden.

Aber Sie sind dagegen, der PDS als drittstärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus einen der drei Plätze des Parlaments-Vizepräsidenten zu überlassen.

Ja, das lehne ich ab. Der PDS rate ich dringend, in den nächsten Jahren ihre programmatischen Aussagen zu überarbeiten. Diese Partei setzt auf mehr Staat und will mehr Geld ausgeben, ohne zu sagen, wo das herkommen soll. Solange die PDS vornehmlich auf Opposition setzt, gebührt ihr kein Vizepräsidenten-Posten.

Zu den Berliner Wahlen ist die CDU mit dem Spruch angetreten: Wer Rot-Grün wählt, riskiert die Kommunisten. Finden Sie nicht, daß diese Aussage Quatsch ist?

Bis 1999 wird sich herausstellen, ob die PDS noch weitgehend eine kommunistische Partei ist. Persönlich glaube ich es nicht. Also wird meine Partei bei den nächsten Wahlen auf solche Plakate getrost verzichten können. Für das Zusammenwachsen der Stadt war diese getrennte Wahlkampfführung sicherlich nicht förderlich, möglicherweise ist die PDS dadurch gestärkt worden.

Aber genau das war doch die Absicht der CDU – die PDS auf Kosten der SPD stark zu machen.

Es war nie unsere Absicht, der PDS irgendeine Wahlkampfhilfe zu geben und die SPD dadurch herunterzudrücken.

Aber die CDU hat die PDS mit Kommunisten gleichgesetzt.

Haben wir nicht. Unsere Aussage war, daß es in der PDS auch Kommunisten gibt. Eine Gleichsetzung haben wir vermieden. Mit unserem Slogan haben wir daran erinnern wollen, daß innerhalb der PDS und ihrer Anhängerschaft nach wie vor kommunistische Kräfte agieren. Ich bin aber für eine differenzierte Betrachtungsweise: Frau Pau hat als SED-Kader Junge Pioniere ausgebildet, aber diese Tatsache allein macht sie ja noch nicht zur Kommunistin. Ich rechne fest damit, daß die Kommunisten innerhalb der PDS in nicht allzu ferner Zukunft eine Minderheit sein werden.

In Berlin wie in anderen Bundesländern bleibt der CDU nur noch eine Große Koalition – oder sie sucht sich strategisch neue politische Partner. Wann rechnen Sie mit einer schwarz-grünen Variante in Berlin oder in einem Land mit Brandenburg?

Diese Möglichkeit könnte sich in einigen Legislaturperioden eröffnen.

Einige Grüne sehen heute schon Gemeinsamkeiten mit der CDU.

Wir haben uns bislang mit dieser Frage viel zu wenig befaßt und darüber hinaus den gegenseitigen Kontakt kaum gepflegt. Das politische Personal beider Parteien muß sich erst kennenlernen.

Mehr ist nicht notwendig? Sehen Sie nicht auch jetzt schon politische Übereinstimmungen?

Berührungspunkte gibt es einige. Dazu gehört die Skespis vor der Allmacht der staatlichen Fürsorge, das Setzen auf die Kraft der Eigenverantwortlichkeit. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie die Grünen auf Dauer mit einer SPD zusammenarbeiten wollen, die allzusehr auf staatliche Lösungsmechanismen setzt.

Von solchen Gemeinsamkeiten zwischen CDU und Grünen ist in Ihrer Partei aber nichts zu hören.

Da haben wir in der Tat gegenüber unserer Anhängerschaft einen Nachholbedarf. Die Grünen ihrerseits müssen aber stärker als bislang deutlich machen, daß ihre häufig sehr berechtigte Sorge vor der Umweltvernichtung sich nicht auf das bloße Opponieren beschränkt. Dennoch müssen wir die Fragestellungen der Grünen anerkennen und versuchen, Antworten zu geben, die nicht unserseits wieder ideologisch vorbelastet sind. Das setzt voraus, daß wir uns von Denkschablonen trennen, die Grünen seien undemokratisch, chaotisch, kommunistisch.

Sie befürchten keine Zerreißprobe der CDU?

Das ist nur ein Geschwindigkeitsproblem in der Wahrnehmung. Die einen kommen schneller zu solchen Einsichten, die anderen etwas später.

Wo ordnen Sie sich da ein?

In der Mitte.

Und wer denkt schon weiter als Sie in Richtung Schwarz-Grün?

Einige jüngere, vielversprechende Leute in meiner Partei. Darauf setzte ich große Hoffnungen. Interview: Severin Weiland /

Dirk Wildt

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