■ Das Portrait: Berlins Finanzfrau
Sie soll 23 Milliarden in Berlin einsparen: Annette Fugmann-Heesing Foto: J.H. Darchinger
Sie ist modern, selbstbewußt und emanzipiert. Annette Fugmann-Heesing, seit gestern Berlins neue Finanzsenatorin, trägt nicht nur den unter sozialdemokratischen Frauen weit verbreiteten Doppelnamen. Auch im Alltag hat die 41jährige die klassische Rollenverteilung auf den Kopf gestellt: Ihr Ehemann kümmert sich um Haushalt und die zwei Kinder. „Sonst“, sagte sie auf ihrem ersten Pressegespräch in der Bundeshauptstadt, „ginge das alles nicht.“
Starke Nerven braucht die promovierte Juristin allemal. 23 Milliarden Mark will Berlin bis 1999 einsparen. Da ist Streit vorprogrammiert. „Ich setze auf die Kooperation meiner Kollegen“, betont sie. Ihren Entschluß, einen der defizitärsten Haushalte der Republik nicht nur zu verwalten, hat sie sich nicht leicht gemacht. Erst 24 Stunden vor der entscheidenden Sitzung der Berliner SPD- Fraktion gab sie ihr Jawort.
Erste Meriten erwarb sie sich als Finanzministerin im rot-grünen Kabinett von Hessen. Ihrem Stehvermögen war es zu verdanken, daß der Wiesbadener Militärflughafen Erbenheim nicht zur Dependance der Rhein- Main-Flughafen AG umgewandelt wurde.
Daß Berlin ein hartes Pflaster ist, mußte sie schon einen Tag nach ihrer Nominierung durch die SPD-Fraktion zur Kenntnis nehmen. „Skandal- Ministerin“ titelte ein Boulevardblatt in Anspielung an ihren 1994 erfolgten Rücktritt aus dem Kabinett Eichel. Ihr damaliger Schritt im Zusammenhang mit der Lotto-Affäre hatte jedoch Format: Obwohl schuldlos, übernahm sie die politische Verantwortung für einen Skandal, in den leitende Mitarbeiter ihres Ministeriums verwickelt waren. Sie wolle, erklärte sie damals, ein „Zeichen setzen für alle Bürgerinnen und Bürger“, die mit „Unverständnis“ auf die Affäre reagiert hätten. Im Anschluß kehrte sie nach Bielefeld zurück, wo sie ihr Jura- Studium begonnen hatte. Zuletzt hatte sie an der dortigen Hochschule einen Vertretungs-Lehrstuhl für öffentliches Recht.
Ihr Gang nach Berlin ähnelt in vielem ihrem Amtsantritt in Hessen. Hier wie dort hatte Fugmann-Heesing keine Hausmacht. In Hessen galt sie, weil jüngstes Kabinettsmitglied, zunächst als „Nesthäkchen“. Mit Beharrlichkeit und Ausdauer verschaffte sie sich schon bald Respekt. Das kann sie auch in Berlin brauchen. Wenn sie vor allem einen Rat befolgt: sich von den Intrigen der Hauptstadt-SPD fernzuhalten. Severin Weiland
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