■ Berlins Botschaft ist angekommen: Olympische Absagen
Wenn sich die Berliner Olympia-Betreiber an die eigenen Vorgaben halten, können sie allmählich anfangen, die Koffer zu packen. Monatelang haben sie immer wieder betont, welches Kriterium bei der Vergabe der Olympischen Spiele für das Jahr 2000 die entscheidende Rolle spielt: Die persönliche Ansprache der 94 Oberen des Internationalen Olympischen Komitees. Deren Seelenlage wurde folglich eine Aufmerksamkeit gewidmet, die nur noch derjenigen vergleichbar ist, der sich das englische Königshaus erfreut. Doch genauso unergründlich und launenhaft wie deren Beziehungsgeflechte sind anscheinend die Stimmungen der Olympia-Gerontokraten. Noch vor wenigen Wochen vermochte ihr oberster Prüfer, der Schwede Ericsson, die aufgeschreckte Berliner Fangemeinde dadurch verblüffen, daß er das gemeine Volk der Olympiagegner zum fachkundigen Plausch lud. Ein Sakrileg, das die Protagonisten insgeheim Böses ahnen ließ, auch wenn sie öffentlich Zufriedenheit bekundeten. Nun sehen sie all ihre Ängste voll bestätigt. Der Herr der Ringe persönlich lehnt es ab, seinen Fuß in diese Stadt zu setzen. Und als wenn das der Schmach nicht genug wäre, gibt er eine Begründung ab, die für Interpretationen keinen Spielraum läßt. Nein, nicht sein Unwille, dem wenig geschätzten Willi Daume zum Achtzigsten die Hand zu schütteln, ist der Anlaß, auch nicht die schlechte Kost zu Füßen des Pergamonaltars. Vielmehr hält die antiolympische Stimmungslage in der Stadt Samaranch von Berlin fern. Sein Wort, er wolle keinen Anlaß für Anti-Olympia-Aktivitäten geben, bedeutet nichts anderes, als daß die Botschaft der Gegner auf dem Olymp angekommen ist: die Herren sind hier nicht willkommen. Die Olympiagegner haben den neuralgischen Punkt der Berliner Bewerbung getroffen, indem sie sich die Strategie der Olympiabefürworter zu eigen machten: Es kommt vor allem auf die persönliche Ansprache der IOC-Mitglieder an. Dieter Rulff
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