Berlinmusik: Synthie und Schwindel
Ein Leben ohne Synthesizer ist möglich, aber sinnlos. Sagte schon Loriot. Oder so ähnlich. Das Sound 8 Orchestra ist sich dieser Lebensweisheit bewusst. Die Band, die zu einem Großteil aus Songschreiber und Keyboarder Matthias Wyder besteht, kostet auf „Grooves from another Galaxy“ die Vorzüge der Tasteninstrumente genüsslich aus. Diese „Another Galaxy“, die da in neun fast ausschließlich instrumentalen Stücken besucht wird, könnte dabei gut in den frühen 80ern angesiedelt sein. Man fühlt sich an die Ära von Michael Jacksons „Thriller“ erinnert, Stücke wie „Wersimatic Super Sequencer“ wären als B-Seite auf einer Maxi des King of Pop gut vorstellbar. Anderes erinnert an die Klangflächen von The Cure, peripher gibt es manchmal auch Sounds, die nach Hammond klingen. Insgesamt ist das eine hochenergetische Angelegenheit und maximal tanzbar – wenn Wyder das dritte volle Album am heutigen Donnerstag im Acud Macht Neu vorstellt, dürften Synthesizer-Freaks und Danceflooraffine gleichermaßen auf ihre Kosten kommen.
Bei Sound 8 Orchestra am Schlagwerk ist übrigens Rudi Fischerlehner zugange, und der ist auch das Bindeglied zu der nächsten hier vorgestellten Band. Denn bei La Tourette ist er ebenfalls beteiligt, es ist dies sein neues Projekt mit einer in Berlin nicht unbekannten Sängerin und Pianistin: Tonia Reeh. Die hatte schon solo zu einer sehr eigenen und eigenständigen musikalischen Sprache gefunden, und das setzt sie jetzt mit La Tourette fort. In elf Stücken ist auf „The Great Mickeymouse Swindle“ manchmal getragener („Grime“), manchmal rockiger („Do You Wanna Go“) Piano-Pop zu hören, dann wieder klingen Reehs Songs mit den mit Bläsern und mit Fischerlehners Schlagzeug angejazzt. „Killer“ ist ein kleiner Ausreißer in Richtung lateinamerikanische Rhythmen und Flamenco. Am ehesten erinnert Tonia Reeh mit La Tourette an die Dresden Dolls und an das Solowerk Amanda Palmers, zum Beispiel in „China“, aber im Gegensatz zu ihr verzichtet Tonia Reeh auf die ganz große künstlerische Pose. Was einem auf „The Great Mickeymouse Swindle“ ein bisschen fehlt, ist ein roter Faden, eine Gesamterzählung, die man ihr durchaus zutrauen würde. Dennoch ein tolles Album ohne Ausfälle.
Jens Uthoff
Sound 8 Orchestra: „Grooves From Another Galaxy“ (Langusta), live: heute, 20 Uhr, Acud Macht Neu
La Tourette „The Great Mickey Mouse Swindle“ (Solaris Empire/Broken Silence), live: 23. 5., Roter Salon
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen