Berlinmusik: Doom mich auch
An Humor mangelt es bei den beiden Herren, von denen hier die Rede ist, sicher nicht. Sie nennen sich Bauer Tim (Gitarre) und sein Onkel (Drums), sind bereits von Bands wie RotoR oder den Ohrbooten bekannt und haben mit ihrem gemeinsamen Projekt namens Tschaika 21/16 kürzlich ihr Debütalbum veröffentlicht. Es trägt den Titel „Tante Crystal Uff Crack Am Reck“ – die beiden Urberliner sind der hiesigen Mundart alles andere als abgeneigt.
Das zeigt sich allerdings vor allem in den Songtiteln und in den amüsanten Einspielern des Albums, denn ihre Musik ist überwiegend instrumental. Ihr Sound ist zwischen Stoner Rock, Postrock und Metal angesiedelt – es gibt aber auch kleine Abstecher in all die anderen schönen Sparten wie Math, Prog oder Doom („Doom mich auch“ ist dabei Anwärter Nummer eins auf den Songtitel des Jahres).
Wie gut Instrumentalmusik auch in schmaler Zweierbesetzung (zum Teil ergänzt durch Trompeter Sören) funktionieren kann, führen Tschaika 21/16 eindrücklich vor. Abwechslungsreich frickelig, groovy und repetitiv klingt die Musik, die Ziffern „21/16“ im Bandnamen sollen für den bevorzugten Takt des Duos stehen – und man glaubt es. Mitwippmusik vom Feinsten, Nackenstarre ist nach Konzerten dieser Band einzukalkulieren.
Unbedingt Erwähnung finden muss an dieser Stelle noch das nun endlich erschienene erste Album der Band Soft Grid. Im Sommer hatten wir im Berlin-Teil der taz schon mal auf dieses ganz wunderbare Album hingewiesen (taz.de/softgrid), es hat dann noch ein wenig gedauert mit dem Release. Jede einzelne Sekunde haben Sie, liebe Leser, hoffentlich dazu genutzt, auf das Album „Corolla“ zu sparen. Denn was die Multiinstrumentalistinnen Theresa Stroetges (Golden Diskó Ship) und Jana Sotzko (The Dropout Patrol) sowie Drummer Sam Slater da in fünf opulenten und wendungsreichen Stücken hinlegen, gehört zum Besten, was dieses Jahr erschienen ist. Dabei changiert das Trio zwischen Krautrock, Indietronica, Songwriter, Orientcore – sagen wir doch einfach: zwischen allen möglichen Musiken. So klingt wirklich vielschichtiger Sound – manuell und maschinell erzeugt –, der gegenwärtiger kaum sein könnte. Soft Grid nutzen die Möglichkeiten des digitalen Arrangements perfekt aus, sie sind darüber hinaus auch live eine Wucht. Einfach mal eine gute halbe Stunde lauschen und staunen. Jens Uthoff
Soft Grid: „Corolla“ (ANTIME Records)
Tschaika 21/16: „Tante Crystal Uff Crack Am Reck“ (Noisolution/Indigo)
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